Angriff in Chemnitz Angriff in Chemnitz: Justizbeamter wegen Veröffentlichung von Haftbefehl suspendiert

Dresden - Der Behörden-Skandal um die Veröffentlichung des Haftbefehls im Fall des in Chemnitz getöteten Daniel H. nähert sich einer Aufklärung: Am Donnerstag stellte sich ein Justizvollzugsbeamter aus Dresden der Polizei, wie sein Anwalt mitteilte.
Der 39-Jährige wurde inzwischen vom Dienst suspendiert, erklärte das sächsische Justizministerium. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Lorenz Haase, berichtete dieser Zeitung, nach Durchsuchungen bei dem Mann habe sich ein vertiefter Verdacht ergeben, dem die Ermittler nachgehen wollten. Dies habe den Druck offenbar so erhöht, dass der Beschuldigte an die Öffentlichkeit gegangen sei. Auf die Verletzung des Dienstgeheimnisses und der Geheimhaltungspflicht stehen laut Strafgesetzbuch bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Skepsis gegenüber Politik und Medien
In der Erklärung, die sein Anwalt verbreitet, begründet der Beamte die Veröffentlichung des Haftbefehls mit seiner Skepsis gegenüber Politik und Medien: „Ich möchte, dass die Spekulationen über einen möglichen Tatablauf ein Ende haben und ich möchte, dass die Medien nicht mehr die Hoheit haben, den tatsächlichen Tatablauf in Frage zu stellen, zu manipulieren oder auf eine ihnen jeweils genehme Art und Weise zu verdrehen“, heißt es darin.
Der Haftbefehl gegen einen Beschuldigten im Chemnitzer Tötungsfall, der in der sächsischen Stadt nach Aufrufen von Hooligans und Rechtspopulisten zu Demonstrationen und Krawallen geführt hatte, war am Mittwoch auf verschiedenen Internetseiten aufgetaucht. Als Tatverdächtige sind seit Montag ein 23-jähriger Syrer und 22-jähriger Iraker in Haft. Durch die Veröffentlichung von Namen und Adressen in dem Haftbefehl seien auch Angehörige des Opfers sowie Zeugen in Gefahr gebracht worden, hieß es. In dem Zusammenhang wurden bundesweit weitere Wohnungen durchsucht.
Bremer Abgeordneter weist Vorwürfe zurück
Unterdessen hat der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Jan Timke Vorwürfe zurückgewiesen, er sei Urheber der rechtswidrigen Veröffentlichung des Haftbefehls im Fall der Chemnitzer Messerattacke. Er habe einen entsprechenden Eintrag lediglich weiterverbreitet und ihn noch am Mittwoch wieder von seinem Facebook-Account gelöscht, sagte Timke am Donnerstag vor Journalisten in Bremen. Der Post sei bereits zuvor in vielen sozialen Medien, Internet-Blogs und -foren sowie von Medien verbreitet worden. „Weder meine Mitarbeiter noch ich sind Urheber dieses Leaks“, sagte Timke.
Dass es sich bei der Veröffentlichung um einen Straftatbestand gehandelt habe, sei weder ihm noch seinen Mitarbeitern zumindest zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bekannt gewesen. „Das soll aber keine Entschuldigung sein. Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe. Und die Verantwortung für die Veröffentlichung übernehme natürlich ich“, sagte Timke. Der Abgeordnete ist Bundespolizist; sein Dienstverhältnis ruht aber, solange er in der Bürgerschaft sitzt.
Timke - Mitglied der rechten Wählervereinigung „Bürger in Wut“ - bezeichnete zugleich die Durchsuchung seiner Privatwohnung in Bremerhaven durch Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwochabend als unverhältnismäßig. Da der Haftbefehl schon an zahlreichen anderen Stellen veröffentlicht worden sei, hätte es Hunderte, wenn nicht gar Tausende Hausdurchsuchungen geben müssen, kommentierte er. (mit afp, dpa)