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Angela Merkel und Helmut Kohl Angela Merkel und Helmut Kohl: Eine wunderbare Feindschaft

Von Thomas Kröter 25.08.2011, 06:45

BERLIN / MZ. - Acht Jahre später, Kohl hat seine erste Bundestagswahl seit 16 Jahren verloren, stößt ihn Merkel, inzwischen CDU-Generalsekretärin, vom Thron des Parteipatriarchen. Und nun, Ende August 2011, setzt der 81-jährige sich in Merkels schwerster politischer Bewährungsprobe an die Spitze ihrer Gegner.

"Die Partei muss also laufen lernen, muss sich zutrauen, in Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtross, wie Helmut Kohl sich oft selbst gerne genannt hat, den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen." Dieser Satz, veröffentlicht in der "Frankfurter Allgemeinen" am 22. Dezember 1999, markiert den Beginn einer wunderbaren Feindschaft. Zuvor ist bekannt geworden, dass Kohl über Jahre hinweg ein System schwarzer Kassen zur Finanzierung der CDU unterhalten hat. Als erste aus der CDU-Spitze distanziert sich ausgerechnet Ziehtochter Angela.

In seiner aktuellen Attacke nimmt der Altkanzler den Namen der Nachfolgerin nicht in den Mund. Aber wer sollte gemeint sein als die seit 2005 amtierende Regierungschefin, wenn er sagt: "Deutschland ist schon seit einigen Jahren keine berechenbare Größe mehr - weder nach innen noch nach außen." Damit es schön seriös wirkt, äußert er sich nicht, wie meist, in "Bild", deren Chefredakteur Kai Dieckmann Trauzeuge seiner zweiten Eheschließung war, sondern im Hausblatt der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, in einem achtseitigen Interview. Kohls längste öffentliche Äußerung, seit er sich vor drei Jahren bei einem Sturz ein Schädelhirn-Trauma zuzog und im Rollstuhl sitzt.

Im Juli hat der 81-jährige noch eine Meldung des "Spiegel" als "frei erfunden" dementiert, er habe über Merkel gesagt: "Die macht mir mein Europa kaputt". Zuvor hatte er gegen Merkels schnellen Atomausstieg nach der Katastrophe von Fukushima gewettert und erklärt, bis es genug Alternativen gebe, bleibe es "ohne Alternative beim konditionierten, aber klaren Ja zur Kernenergie".

Weil Helmut Kohl, der das Schicksal der CDU über ein Vierteljahrhundert geprägt hat, immer noch über viele Bewunderer in der Partei verfügt und weil sein internationales Renommee als Europäer und "Kanzler der Einheit" unter der Spenden-Affäre nicht verblasst ist, hat sich Merkel über die Jahre hin bemüht, beider Verhältnis zu entspannen. Vom Skandal ist parteioffiziell lange nicht mehr die Rede. Zu Veranstaltungen, die mit der Einheit zu tun haben, wird Helmut Kohl eingeladen.

Im August 2009 lädt sich die amtierende Kanzlerin sogar beim Altkanzler in dessen Heimatort Ludwigshafen-Oggersheim ein. Aber mehr als ein Foto, auf dem beide milde lächeln, kommt bei dem Tochter-Vater-Entspannungsgipfel nicht heraus. Im Monat drauf ist Bundestagswahl, der Gastgeber ein zu erfahrener Politiker, um nicht zu wissen, warum Merkel öffentlich mit ihm Kaffee trinken will: Sie braucht jede Stimme, auch jene der Kohlianer. Kohl ist Parteisoldat genug, seinen kleinen Beitrag zum Erfolg der CDU zu leisten. Zum 80. Geburtstag würdigt Merkel ihn in einem parteioffiziellen Video (auf Youtube zu bewundern) und lässt ihm eine stattliche Lobesfeier ausrichten.

Aber besänftigen kann sie ihren alten Gönner nicht. Zu tief sitzt offenbar die Kränkung des vorübergehenden Ausschlusses aus der Familie. Zu sehr unterscheidet sich Merkels Stil der Politik daheim wie in der Welt von jenem des Patriarchen. Nun schürzt sich die europäische Krise. Als der alte Herr in Oggersheim sich wieder fit genug fühlt für ein langes Interview, nutzt er die Gelegenheit - und schlägt zu.

Merkel antwortet mit einer abermaligen Würdigung und dem matten Hinweis, dass jede Zeit ihre "spezifischen Herausforderungen" habe. Sie kann ja schlecht sagen: Hey Alter, Du bis einer von gestern, lass mich meine Arbeit machen, wie du früher Deine getan hast!