Altersversorgung Altersversorgung: Lehrer gehen leer aus
Halle (Saale)/MZ/BOE. - Sie und ihre Kollegen fühlen sich nämlich um einen guten Teil davon betrogen.
Irene Lindenberg war als Lehrerin sehr engagiert. Ununterbrochen von 1967 bis 2003. In den Klassen 5 bis 10 unterrichtete sie Musik und Deutsch. Zunächst in Berlin. Ab 1986 in Naumburg, wohin sie die Liebe führte.
Für ihr Alter wähnte sich die Pädagogin gut abgesichert. Für Lehrer gab es in der DDR eine Zusatzversorgung, die ihnen eine Rente etwa in Höhe von 90 Prozent des letzten Netto-Gehaltes garantierte. "Das wären zwischen 800 und 900 Mark gewesen", erzählt sie. Für DDR-Verhältnisse eine ansehnliche Rente. Diese Zusatzversorgung, so Irene Lindenberg weiter, habe es gegeben, um das geringe Gehalt auszugleichen, das Lehrern bis hinein in die 80er Jahre gezahlt wurde. Doch es kam alles anders. Im Jahr 2003 musste die damals 58-Jährige nach 36 Jahren aus Gesundheitsgründen ihren Beruf aufgeben. Bis 2005 war sie arbeitslos. Seit Januar 2006 erhält sie Rente. Etwa 1 000 Euro, die sie zeitweise mit dem Austragen von Zeitungen aufgebessert hat. Irene Lindenberg jammert nicht über ihre Situation. Was sie allerdings ärgert: "Mein Alterseinkommen liegt bei etwas mehr als 50 Prozent einer Kollegin oder eines Kollegen mit einer ähnlichen Arbeitsbiografie aus den alten Bundesländern."
Die waren auch ihr Berufsleben lang bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) angemeldet. Sie verwaltet die Zusatzversorgung für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und garantiert bei langjähriger Mitgliedschaft ein schönes Zusatzeinkommen im Alter.
Die Lehrer in den neuen Bundesländern fühlen sich dagegen doppelt bestraft. Die ihnen zu DDR-Zeiten zugesicherte Zusatzversorgung wurde mit dem Rentenüberleitungsgesetz von 1991 in die normale Altersrente übergeführt und an der Bemessungsgrenze Ost gekappt. Bei der VBL wurden sie aber erst 1997 angemeldet. Die Mitgliedschaft wurde damals von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bei Tarifverhandlungen mit dem Bund erstritten. Sie war wohl wegen des Geldes nicht früher zu erreichen, denn die Arbeitgeber mussten die Beiträge allein an die VBL abführen.
Das bedeutet: Ein Ost-Lehrer, der bis zum 31. Dezember 1996 in den Ruhestand gegangen ist, bekommt nur seine Versichertenrente. Nun war Irene Lindenberg immerhin noch sechs Jahre in der VBL. Ihre Zusatzrente macht knapp 60 Euro im Monat aus. Jedes Jahr wird sie um ein Prozent angehoben. Kann sie sich deshalb glücklich schätzen? "Ich werde behandelt wie eine Berufsanfängerin", sagt sie.
Damit konnte und kann sich Irene Lindenberg wie viele andere nicht abfinden. 2002 entstand deshalb die Interessengemeinschaft "Renten der Lehrer und Erzieher der ehemaligen DDR". Ziel der Gruppe, die zu ihren Hochzeiten etwa 500 Mitglieder hatte, war es, gemeinsam mit dem Berliner Rechtsanwalt Karl-Heinz Christoph auf dem Klageweg eine Änderung der Situation zu erreichen. Christoph stand auf dem Standpunkt, die Ost-Lehrer hätten spätestens 1992 bei der VBL angemeldet werden müssen, zumal das eine Pflichtversicherung ist. Und er bemängelte, dass die in der DDR zurückgelegten Berufsjahre dort nicht anerkannt werden.
Doch die Argumente zogen vor den unterschiedlichsten Gerichtsinstanzen nicht. Zuletzt wurde eine Klage vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen. Das war Anlass für die Gruppe, sich aufzulösen - aber für Irene Lindenberg keiner, um aufzugeben. "Der juristische Weg ist ausgeschöpft, jetzt ist nur noch auf politischem Weg etwas zu erreichen", sagt sie. Und verweist auf Briefe, in denen sie das Problem beispielsweise Vertretern der Bundesregierung schildert. Von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sie keine Antwort bekommen. Thomas de Maizière, damals noch Innenminister, ließ immerhin einen seiner Beamten antworten - mit bekanntem Tenor.
Irene Lindenberg ist in Westberlin geboren. Ihre Eltern sind 1950 mit ihr in den Ostteil der Stadt gezogen. Manchmal denkt die Lehrerin darüber nach, wie es ihr heute wohl finanziell ginge, wenn der Umzug damals nicht stattgefunden hätte.
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