Altersarmut Altersarmut: Als Pflegefall nach Thailand?
Berlin/MZ. - Die Pflege wird für immer mehr alte Menschen in Deutschland unbezahlbar: Sie sind zunehmend auf staatliche Unterstützung angewiesen, um sich den Platz im Altenheim oder die häusliche Betreuung leisten zu können, wie bislang unveröffentlichte Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Danach stieg die Zahl der Empfänger von "Hilfe zur Pflege" im Jahr 2010 um rund fünf Prozent auf etwa 411 000 Bedürftige, wie die Welt am Sonntag berichtete. Die Ausgaben für die staatliche Beihilfe kletterten dem Bericht zufolge auf 3,4 Milliarden Euro.
Im Laufe des Jahres 2009 waren es noch 392 000 Menschen, deren Rente oder Ersparnisse nicht ausreichen, um die teuren Heimplätze oder die Pflege im Alter aus eigener Tasche zahlen zu können. Denn die Pflegekasse zahlt nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Je nach Pflegestufe und Ausstattung des Heimes werden für einen Platz zwischen 2 000 und 5 500 Euro im Monat fällig. Selbst für die höchste Pflegestufe steuert die gesetzliche Pflegeversicherung aber nur 1 550 Euro bei, der Rest muss aus eigenen Mitteln beglichen werden.
Der Unions-Pflegeexperte Willi Zylajew hat jetzt angeregt, über alternative Modelle zur Pflege zu diskutieren: Zum Beispiel Deutsche im Ausland pflegen zu lassen, statt ausländische Pfleger nach Deutschland zu holen. Kassen wie AOK oder Barmer BEK zeigen sich offen für solche Kooperationen mit Altenheimen im Ausland. Bislang verhindert das das Gesetz: Zum einen haben Deutsche im Ausland keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Das hat im Juli der Europäische Gerichtshof entschieden. Ausnahme: Für Deutsche im EU-Ausland gibt es Pflegegeld. Pflegegeld wird an den Pflegebedürftigen bezahlt, wenn er seine Pflege zu Hause selbst organisiert. Anspruch auf Sachleistungen der Pflege, die es in Deutschland gibt, wenn ein professioneller ambulanter Pflegedienst die Arbeit übernimmt, haben sie dort aber nicht. Zum anderen können Pflegekassen nicht einfach mit Heimen im Ausland Verträge abschließen.
Gesundheitsexperten der Koalition beeilten sich am Sonntag zu erklären, dass sich daran so schnell nichts ändern wird. "Dass es teuer wird, wenn jemand ins Pflegeheim muss, ist nichts Neues. Die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt seit jeher nur einen fixen Zuschuss", sagte Jens Spahn (CDU) der MZ. Umso wichtiger sei es, dass jeder Einzelne beizeiten spare und vorsorge. Ob jemand sich im Ausland oder in der Heimat pflegen lasse, sei die Entscheidung jedes Einzelnen.
Kein Verständnis für eine solche Debatte hat auch die FDP-Pflegeexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. "Ich halte davon nichts und sehe auch keine Notwendigkeit, die Gesetze entsprechend zu ändern", sagte sie. "Ein alter Mensch lässt sich ungern verpflanzen. Soll die Familie zum Geburtstag vom Opa dann nach Thailand fahren?" Hinzu kämen viele praktischen Fragen wie die Überprüfung der Standards der Heime. "Ich halte es für besser, qualifizierte ausländische Pfleger nach Deutschland zu holen", sagte die FDP-Politikerin.
Entsetzt zeigte sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. "Wenn wir unsere alten Menschen nicht mehr hier pflegen könnten, wäre das aus meiner Sicht ein Alptraum."