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CSU-Mann Dobrindt im Porträt Alexander Dobrindt im Porträt: Horst Seehofers mächtiger Strippenzieher von Kloster Seeon

03.01.2018, 13:47
Dobrindt am Rande der Jamaika-Sondierungen
Dobrindt am Rande der Jamaika-Sondierungen Getty Images Europe

Berlin/München - Es ist ziemlich genau elf Jahre her, da hat Alexander Dobrindt einen dunklen Anorak angezogen und ist auf die Zugspitze gefahren. Eine Zahnradbahn hat ihn auf den Gipfel gebracht, ihn und vier andere junge CSU-Politiker. Oben war es neblig und verschneit, kein gutes Bergwetter. Auf der Aussichtsplattform entrollten die fünf ein Plakat für einen, der in Bedrängnis geraten war. „Bayerns Spitze – Edmund Stoiber“ stand darauf. Im Hintergrund blickte das Gipfelkreuz gerade noch so aus den Wolken. Wenige Wochen später war die Karriere des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs vorbei, die CSU hatte ihn zum Rücktritt gedrängt. Die Zugspitz-Aktion, der erste bundesweit beachtete Auftritt Dobrindt, war nicht gerade erfolgreich gewesen.

Es ist seitdem einiges passiert in der CSU. Rücktritte am laufenden Band, erst ging Stoiber, dann seine Nachfolger Erwin Huber und Günther Beckstein. Deren Nachfolger Horst Seehofer ist auch schon bald wieder weg. Michael Glos hat als Bundeswirtschaftsminister hingeschmissen, Karl-Theodor zu Guttenberg musste zurücktreten, genauso wie Hans-Peter Friedrich als Innenminister. 

Einer der mächtigsten Männer der CSU

Dobrindt, der Mann mit dem Zugspitz-Plakat in den Wolken, ist noch da.

Auf CSU-Parteitagen sitzt der 47-Jährige inzwischen in der ersten Reihe, fast ganz in der Mitte. In dieser Woche zieht er bei dem Auftritt die Fäden, mit dem die CSU jeden Januar die politische Weihnachtsruhe beendet: Die CSU-Bundestagsabgeordneten kommen (von Donnerstag 4.1. bis Samstag 6.1.) zu ihrer Klausurtagung im Kloster Seeon zusammen, zum traditionellen Jahresanfangsgepolter in der bayerischen Voralpenlandschaft. Dobrindt ist seit der Bundestagswahl der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten und damit Gastgeber der Veranstaltung, die mindestens so viel Show wie Positionsbestimmung ist. Es geht darum, wahrgenommen zu werden und dafür gibt es Papiere mit möglichst rabiaten Forderungen und Gäste mit Spektakelwert. Dobrindt hat dieses Mal den ungarischen Ministerpräsident Victor Orban geladen, die Anti-Merkel-Figur der EU, und einen Investor, der regelmäßig in einer Fernsehshow auftritt.

Von den fünf jungen Abgeordneten, die vor zehn Jahren auf der Zugspitze standen und einem Chef im Untergang zujubelten, ist Dobrindt am weitesten gekommen. Er ist jetzt einer der mächtigsten Männer in der CSU, und gleichzeitig einer der lautesten und der rätselhaftesten.

Die Macht kommt aus der Position. Es ist zwar nur eine kleine Truppe von nur 46 Personen (mit ihm), der er vorsitzt, und der Titel CSU-Landesgruppenchef klingt auch eher nach Stammtisch in der Dorfgaststätte. Aber dieser Chef ist der oberste Repräsentant der CSU in Berlin; wenn die Union regiert, sitzt er in allen Koalitionsrunden. Auf der Internetseite hat Dobrindt die Landesgruppe durch „CSU im Bundestag“ ersetzt.

Laute Wortgefechte mit Anton Hofreiter

Dobrindts Lautstärke ist nicht unbedingt in Dezibel zu messen, außer er trifft auf politische Gegner wie den Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Mit dem hat er sich in den Sondierungsrunden dem Vernehmen nach auch schon mal angeschrien. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Dobrindt sich öffentlich stets so Mühe gibt, Contenance zu wahren, zumindest im Ton. Er hat eine weiche Aussprache, er macht kurze Pausen, bevor er antwortet, sein Gesicht bleibt ungerührt, manchmal lässt er ein kleines Lächeln stehen während er redet. Von Zurückhaltung allerdings lässt sich dabei dann nicht sprechen. Die gab es, während seinen vier Jahren als Verkehrsminister. Da hat er sich ziemlich rar gemacht hatte im politischen Berlin, außer wenn er mal wieder die Pkw-Maut verteidigt hat. Davor und danach, als CSU-Generalsekretär und eben jetzt als Landesgruppenchef, war keine Lupe mehr nötig, um Dobrindt zu finden.

Vier Wochen lang verhandelten CDU, CSU, FDP und Grüne über eine gemeinsame Regierung. Vier Wochen lang ging die Kanzlerin wortlos vorbei an den Kameras. Vier Wochen lang sagte FDP-Chef Christian Lindner, man müsse mal sehen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer lächelte sphinxartig und behauptete, er sei zuversichtlich.

Vier Wochen lang stellte sich Alexander Dobrindt vor die Kameras und verbreitete Missmut und Kompromissunwillen, die Arme fest und wie abwehrbereit vor dem Körper verschränkt. Eigentlich hätte er gar keine Worte mehr gebraucht.

Die CSU-Position zur Flüchtlingspolitik: nicht verhandelbar. Kompromissbereitschaft? „Nein. Nein!“ Ein Vorschlag der Grünen: „So kann man heute nicht mehr argumentieren.“

So ging es weiter. Dobrindt kam und mit ihm die schlechte Laune: Mondforderungen, Schwachsinnstermine, Idee aus der Uraltmottenkiste, rhetorischer Neandertaler, tönte es hinter den verschränkten Armen hervor. Zuweilen war es so, dass Seehofer in die eine Kamera Zuversicht verbreitete: Ein Treffen mit den Grünen sei gut verlaufen. Und wenige Meter weiter verkündete Dobrindt: „Es hat ordentlich gekracht.“ 

Asterix als Vorbild

Geradlinig sei dieses Auftreten gewesen, sagt Dobrindt selber. Als Vorbild hat er einmal den Comichelden Asterix angegeben, ein Sinnbild für Widerspenstigkeit und Raffinesse. Aber selbst in der CSU war so manchem diese so genannte Geradlinigkeit etwas zu holzschnittartig. Eine harte Position sei zwar gut, befindet ein führender Parteistratege. „Aber etwas eleganter könnte man das schon machen.“ Dobrindt sei ein „Söder für Arme“, lästerte ein anderer – Markus Söder, der Seehofer vom Sockel gestoßen hat, gilt als Spezialist für Zuspitzung und Polemik.

In der CDU beschwerte man sich, Dobrindt sei „dauerpampig“ und begann daran zu zweifeln, dass die CSU die Verhandlungen ernsthaft führte. Es sah aus, als könnte eine Jamaika-Koalition an Dobrindt scheitern. Es war dann aber doch Lindner, der die Verhandlungen platzen ließ. Er hatte versucht, die CSU noch mitzuziehen, während der Verhandlungen hatten er und Dobrindt sich ziemlich gut verstanden.

In der ersten Bundestagssitzung nach dem Jamaika-Scheitern, war es dann Dobrindt, der dem FDP-Chef über die Bänke hinweg die ersten scherzhaften Worte zuwarf, durch die unsichtbare Unionsmauer der Nichtachtung hindurch. Erleichtert lächelte Lindner ihm zu. Der freundliche Alexander? Oder der kalkulierende Herr Dobrindt?

Generalsekretär zweiter Wahl

Wer in den vergangenen Jahren in der CSU nach Dobrindt fragte, erntete meist ein Achselzucken. Der Mann mit den verschränkten Armen, mit 16 Jahren in die Junge Union eingetreten und mit 20 in die CSU, hat auch in seiner Partei offenkundig viele auf Distanz gehalten. Die Debatte um die Nachfolge von CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer waberte vor sich hin. Dobrindts Name tauchte auf, wurde aber ebenso schnell wieder verworfen. „Der Alexander“ habe keine wirklichen Unterstützer in der Partei, hieß es. Er komme zwar aus dem mächtigsten CSU-Bezirk Oberbayern, aber die würden sich für ihn nicht krummlegen. Keine Allianzen geschmiedet, keine Abhängigkeiten geschaffen und auch „keinen Sympathiebonus“, war zu hören. Auf allen Seiten.

Generalsekretär der CSU wurde er, nachdem Guttenberg zum Minister aufstieg, als zweite Wahl. Bei seinem ersten Versuch, Landesgruppenvorsitzender zu werden, scheiterte Dobrindt. Es gab einige Konkurrenten und die Oberbayern-CSU blieb ruhig. Als er in der letzten Wahlperiode versuchte, der damaligen Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die Position als wichtigste CSU-Vertreterin in Berlin streitig zu machen, fand er keine Mitstreiter und scheiterte. Horst Seehofer verlieh ihm den Titel „Sprecher der CSU-Bundesminister“ – der aber kursierte in der Partei schnell als Witz, weil es nur drei solcher Minister gab.

Aber ein mächtiger Unterstützer wie Seehofer macht vieles wett. Dobrindt ersetzte die Zugspitz-Loyalität zu Stoiber durch die zu einem neuen Chef. Gut möglich, dass es Seehofer ganz recht war, dass da einer war, der nicht noch einen ganzen Gutshof an Bindungen mitbrachte, einer, der sich nur ihm verpflichtet fühlte und nicht noch allen möglichen anderen. Aus dem Einzelgänger Seehofer und dem Einzelgänger Dobrindt wurde ein Team.

Farbloser Schützenkönig?

Im Frühjahr aber gibt Seehofer nun den Ministerpräsidentenposten ab an Markus Söder, den Mann mit den Allianzen und Abhängigkeiten. Der Parteivorsitz wird irgendwann auch neu vergeben. Der wuchtige Auftritt am Rande der Jamaika-Sondierungen fiel in die Zeit, in der noch nicht klar war, wie es weitergehen würde. Es war die Zeit, um sich in Position zu bringen, sich sichtbar zu machen, um nicht gleich mit unterzugehen. „Klar, direkt und konservativ“, werde er auftreten, verkündete Dobrindt, als er seinen neuen Job übernommen hatte. Seine Vorgängerin Hasselfeldt war ruhig und kompromissorientiert, ganz anders als die CSU sonst auftritt.

Dobrindt hat sich für das alte Modell entschlossen. Es ist gar nicht so weit weg von dem Modell Generalsekretär. Den Posten hatte er als eher Unbekannter übernommen. Dobrindt hatte sich vorher in der Bundestagsfraktion um Wirtschaftspolitik gekümmert, nicht weiter auffällig. Weil er bei seiner Vorstellung stolz erzählt, in seinem oberbayerischen Heimatort Peißenberg südlich des Starnberger Sees gerade zum dritten Mal Schützenkönig geworden zu sein, klebt sofort das Label Provinz an ihm. In der CSU gibt es die Kritik, er sei farblos.

Dobrindt, studierter Soziologe, wird lauter und verlegt sich aufs Pflegen von Feindbildern. Er beschimpft den damaligen Koalitionspartner FDP als Gurkentruppe, fordert ein Verbot der Linkspartei. Er arbeitet sich an den Grünen ab, für die er das schon lange ad acta gelegte Bild der Steineschmeißer wieder hervorkramt. Für den Wahlkampf 2013, den er organisierte, setzt er auf das Ressentiment-Thema Ausländermaut.

Mehr Prenzlauer Berg als Peißenberg

Gleichzeitig erfindet er sich optisch neu. Er verzichtete auf Schokolade und Gummibärchen und nahm ab, von 96 auf 77 Kilo. Er legt sich neue Anzüge zu, schmal geschnitten mit großem Karo, ungewöhnlich modisch für einen Politiker, ein wenig dandyhaft wirkte er nun. Spitze Schuhe dazu, neue Brille. Mehr Werber und Manager als Schützenkönig, mehr Prenzlauer Berg als Peißenberg. Es ist fast ein bisschen lustig, dass Dobrindt nun ständig davor warnt, der Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg mit seinen gutverdienenden Öko-Bürgerlichen dürfe nicht die Bundespolitik bestimmen.

Das Irritierende an Dobrindt ist, dass vieles an ihm wie übergestreift wirkt. Als sei er vormittags in seine Politikerrolle geschlüpft wie in einen Anzug. Er kann Situationen differenziert analysieren, er unterlegt seine Thesen gerne mit Statistiken. Aber die öffentliche Rolle lässt von der Differenzierung wenig übrig. Arm über Arm gelegt, eingerastet, abgeschirmt. Blick geradeaus, fast erstarrt, Sätze, als lese er innerlich von einem Blatt ab. Es ist, als hätte einer eine fein geschnitzte Statue noch einmal mit einem Beil nachbearbeitet.

Im Oktober steht Dobrindt bei der Jahresversammlung der Jungen Union in Dresden in einem großen Saal, die Panoramafenster geben den Blick auf die Elbe frei. Alles sieht noch nach Jamaika aus zu diesem Zeitpunkt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die SPD für nicht regierungsfähig erklärt. Dobrindt warnt davor, in Koalitionsverhandlungen „linken Spinnereien“ auf den Leim zu gehen. Der JU-Vorsitzende aus Schleswig-Holstein sagte: „Ihre Rede lässt mich etwas ratlos zurück.“ Ein anderer fragte: „Finden Sie es richtig, eine halbe Stunde lang zu sagen, was alles nicht geht?“ Dobrindt lächelt.