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Konflikte Afrikas Erbe? Ein Kontinent, der nicht zur Ruhe kommt

Der Konflikt im Sudan geht in den fünften Monat. Ein Putsch im Niger droht die Sahelzone weiter zu destabilisieren. Zahlreiche weitere Konflikte schwelen auf dem Kontinent. Warum kommt Afrika nicht zur Ruhe?

Von Christina Peters, Kristin Palitza und David Renke, dpa Aktualisiert: 15.08.2023, 11:37
Ein Mann blickt auf die Stadt Khartum, wo schwarzer Rauch aufsteigt. Seit nun mehr vier Monaten bekämpfen sich die Konfliktparteien im Sudan.
Ein Mann blickt auf die Stadt Khartum, wo schwarzer Rauch aufsteigt. Seit nun mehr vier Monaten bekämpfen sich die Konfliktparteien im Sudan. Marwan Ali/AP

Khartum - Seit vier Monaten kämpfen im Sudan zwei ehemals verbündete Generäle ohne Rücksicht auf Verluste um die Macht. Gut 4000 Kilometer weiter westlich, in der Sahelzone, toben Kämpfe gegen islamistische Terroristen. Mit dem jüngsten Putsch im Niger, fällt ein weiterer Staat in die Hände von Militärs. Der Konflikt könnte die gesamte Region destabilisieren. Auch in anderen Teilen Afrikas gehören Terrorismus und Gewalt nahezu zum Alltag.

Immer wieder Schreckensnachrichten. Warum kommt der Kontinent nicht zur Ruhe? Auf dem zweitgrößten Erdteil leben mehr als 1,4 Milliarden Menschen, mehr als eine Milliarde davon südlich der Sahara. Etwa 70 Prozent von ihnen sind jünger als 30 Jahre. 2050 wird Schätzungen zufolge ein Viertel der Menschheit hier leben.

Das ist Afrikas Chance auf eine steigende Produktivität; die Chance, sich zu einem wichtigen Absatzmarkt zu entwickeln und Investitionen anzuziehen. Schon heute lassen dynamische Metropolen wie Luanda, Kigali, Lagos oder Nairobi die Klischees des leidenden Kontinents verblassen, auch wenn die Stadtkerne noch immer von Slums umgeben sind. In diesen Städten baut sich eine Digitalwirtschaft auf, leben gut ausgebildete junge Menschen, wächst der Mittelstand, blüht Innovation.

Welche Konflikte gibt es in Afrika?

Und dann gibt es die andere Seite. 44 Millionen Menschen werden nach Schätzungen der UN in diesem Jahr südlich der Sahara auf der Flucht sein, vertrieben von Gewalt, Hunger oder Katastrophen. Laut Global Peace Index 2022 befinden sich von den zehn am wenigstens friedlichen Staaten der Welt fünf in dieser Region. Mehr als 15 Konflikte in denen Zivilisten unter Gewalt leiden zählte Human Rights Watch in Subsahara-Afrika allein in diesem Jahr. Einige davon:

Sudan: Seit dem 15. April kommt es zwischen der Armee und der rivalisierenden RSF-Miliz zu schweren Gefechten. Neben der Hauptstadt konzentrieren sich die Kämpfe vor allem auf die westliche Region Darfur, wo es laut UN-Berichten zu ethnisch motivierten Kriegsverbrechen gekommen sein soll. 

Westlicher Sahel: Islamistische Terrorgruppen, die der Terrormiliz Islamischer Staat oder dem Terrornetzwerk Al-Kaida ihre Treue geschworen haben, überzogen seit 2012 Mali, den Niger und Burkina Faso mit Gewalt. Nach Staatsstreichen regiert im Niger, in Mali, Burkina Faso, in Guinea sowie im Tschad nun das Militär. 

Äthiopien: Nach einem jahrelangen Bürgerkrieg in der nördlichen Region Tigray eskalierte die Gewalt zwischen der Zentralregierung und der Volksgruppe der Amharen in der Region Amhara, die im Süden an Tigray grenzt.

Demokratische Republik Kongo: Im Osten, wo sich große Vorkommen an Kupfer, Diamanten, Kobalt, Koltan und Gold befinden, verüben Rebellengruppen seit Jahrzehnten Angriffe. Denn wer die Region kontrolliert, profitiert von den Bodenschätzen. 

Mosambik: Im Norden Mosambiks - einer Region, in der der französische Energiekonzern Total an einem milliardenschweren Flüssiggasprojekt beteiligt ist - verüben islamistische Rebellen seit 2017 immer wieder Anschläge.  

Nigeria: Afrikas größte Volkswirtschaft kämpft an mehreren Fronten: kriminelle Banden im Nordwesten, die Terrormiliz Boko Haram im Nordosten, gewaltsame Kämpfe um Land zwischen Viehhirten und Ackerbauern im Zentrum sowie Gewalt im Süden, die immer wieder um die Kontrolle von Ölfeldern aufflammt.

Somalia: Seit mehr als zehn Jahren destabilisiert die Terrormiliz Al-Shabaab das Land am Horn Afrikas und kontrolliert große Teile des Südens des Landes.

Die Gründe für die Konflikte sind komplex. Zu den vielschichtigen Ursachen gehören laut Experten tiefgreifendes politisches und wirtschaftliches Versagen, Armut und Arbeitslosigkeit, korrupte Eliten, schwache Staatsführung sowie Abhängigkeit von Rohstoffexporten. Auch die gewichtige, innenpolitische Rolle des Militärs ist in vielen Staaten ein entscheidender Faktor.

Das Erbe des Kolonialismus lastet schwer auf Afrikas Schultern. „In der heutigen multipolaren (Un-)Ordnung intervenieren sowohl westliche Mächte (die Vereinigten Staaten und Frankreich) als auch aufstrebende Mächte (China, Russland und die Türkei) in der Region, um unterschiedliche und oft widersprüchliche Interessen zu verfolgen“, schreiben Analysten des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in Südafrika. Schon während der Kolonialzeit unterstützten Großmächte mit Interessen in Afrika gezielt rivalisierende Konfliktparteien, um innerstaatliche Bruchlinien zu vertiefen und Gewalt zu eskalieren, so das IISS.

Klimakrise trifft Afrika immer stärker

Dazu setzt die Klimakrise Afrika immer stärker unter Druck. Extreme Wetterereignisse wie Dürren, Fluten, Tropenstürme und Heuschreckenplagen gehören zum Alltag. Menschen sterben, müssen fliehen, verlieren alles. „Das Potenzial des Klimawandels zur Verschärfung gewalttätiger Konflikte ist in Afrika offensichtlich“, sagt Philip Osano, Direktor des Afrika Zentrums des Stockholmer Umweltinstituts (SEI). Der zunehmende Kampf um natürliche Ressourcen werde existierende Spannungen weiter verstärken, so Osano.

Wie könnte mehr Ruhe in Afrika einkehren? Man müsse wiederkehrende Ursachen identifizieren, anstatt Symptome zu bekämpfen, sagt Raymond Gilpin, Analyst beim Think Tank Africa Centre. Zu den Ursachen gehörten beispielsweise die Kontrolle über Bodenschätze, neokoloniales Machtstreben, Kriminalität und Terrorismus, aber auch externe Unruhestifter wie die russische Söldnergruppe Wagner. Versuche, Gewalt durch Aufstandsbekämpfung, Wirtschaftssanktionen oder schnelle Neuwahlen zu schlichten, seien oftmals kontraproduktiv, warnt Gilpin: „Mit umfassenden, langfristigen Ansätzen lässt sich viel mehr erreichen“.