"Konsequente Trennung" AfD-Wahlkampf: Der Kirchenkampf in Bayer
Berlin - Auf dem Bundesparteitag der Alternative für Deutschland in Augsburg zeigten sich die bayerischen Gastgeber geradezu strotzend selbstbewusst. „Die Zeit der Volksparteien ist vorbei, das Zeitalter der AfD ist angebrochen“, rief der bayerische AfD-Landesvorsitzende Martin Sichert Anfang Juli den Delegierten aus dem ganzen Bundesgebiet zu.
Sichert ist seit Ende vergangenen Jahres Chef der AfD in Bayern, er sitzt aber auch im Bundestag und gehört zum rechtsnationalen Flügel um Björn Höcke. Sein Lieblingsfeind ist Bundesinnenminister und CSU-Parteichef Horst Seehofer. In Berlin wankte zur gleichen Zeit die Regierung wegen des erbitterten Streits zwischen CDU und CSU um die Asylpolitik. Schaumschlägerei betreibe die CSU, sagte Sichert in Augsburg.
Die AfD ist so stark, dass sie der CSU das Fürchten lehrt
Nicht zufällig fand der Parteitag dort statt, im Oktober wird – neben Hessen – auch in Bayern ein neuer Landtag gewählt, da wollte man gern ein Zeichen setzen. Die AfD kann davon ausgehen, auch in die letzten beiden Landesparlamente der Republik einzuziehen. Gerade in Bayern ist sie so stark, dass sie die CSU das Fürchten lehrt. In den letzten Umfragen käme die AfD auf 14 Prozent und läge knapp hinter den Grünen.
Die SPD befindet sich dagegen weiter im freien Fall und erhielte jetzt nur noch 12 Prozent der Wählerstimmen.Aber auch für die CSU zeichnen sich dramatische Verluste ab. Lag sie 2013 noch bei fast 48 Prozent, würden jetzt nur noch 38 Prozent der bayerischen Wähler ihr ihre Stimme geben. Sie würde damit zum zweiten Mal ihre absolute Mehrheit verlieren.
„Die Leute wählen lieber gleich das Original“
Viele in der bayerischen AfD sehen das als Bestätigung, die Partei ist sicher, von dem Streit in der Union nur profitieren zu können. Auch der Kurs der CSU, gerade am rechten Rand um Wähler zu werben, werde sich nicht auszahlen. „Die Leute wählen lieber gleich das Original“, ist Katrin Ebner-Steiner überzeugt. Die Politikerin aus dem niederbayerischen Deggendorf ist eine von sieben Spitzenkandidaten der bayerischen AfD für die Landtagswahl. Die Partei ist so zerstritten, dass sie sich nicht auf einen Spitzenkandidaten einigen konnte, vielmehr tritt nun in jedem bayerischen Regierungsbezirk ein Kandidat zur Wahl an, aber auch das wird der AfD vermutlich nicht schaden. „Die Menschen begreifen, dass wir zutiefst basisdemokratisch sind“, formulierte es Ebner-Steiner im Gespräch mit dieser Zeitung.
Im Wahlprogramm für Bayern, das seit dieser Woche veröffentlicht ist, spielen basisdemokratische Forderungen denn auch eine wichtige Rolle. Die Partei verlangt Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild, eine Halbierung des Landtags und das Recht, Amtsträger direkt abzuwählen. Wenig überraschend, dominieren in dem Programm die Themen Asylpolitik und Migration, auch der bayerischen Heimat und ihrem Brauchtum wird ausgiebig gehuldigt.
Die Amtskirchen werden als Lobbygruppen geschmäht
Es gibt in den 100 Seiten aber auch eine Passage, die es in sich hat. Im Kapitel 1.5, das den eher harmlos anmutenden Titel „Staat und Religion“ trägt, zieht ausgerechnet die bayerische AfD gegen die Kirchen zu Felde. Die Amtskirchen werden dort als Lobbygruppen geschmäht und die „staatlichen Dotationen der Geistlichen“ scharf kritisiert. „Die AfD will keine staatliche Förderung von Religionsgemeinschaften, sondern eine konsequente Trennung von Staat und Religion in Bayern“, heißt es in dem Programm.
Gefordert wird darin nicht nur, muslimische Religionsgemeinschaften nicht mehr staatlich zu fördern, sondern auch den Staatskirchenvertrag aufzukündigen. Darin ist geregelt, dass Kardinäle, Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger ihr Gehalt vom Freistaat erhalten, in Anlehnung an den öffentlichen Dienst. „Diese staatliche Unterstützung ist dem deutschen und insbesondere dem bayerischen Steuerzahler nicht länger zumutbar“, glaubt die AfD.
Jeder zweite in Bayern ist katholisch
Das ist gerade in Bayern nicht ohne Risiko. Noch immer ist jeder zweite in Bayern katholisch, in den grenznahen Gebieten in Niederbayern und der Oberpfalz sind es sogar drei von vier. Und gerade in Niederbayern hat die AfD ihre Hochburgen. Ebner-Steiner, 39 Jahre alt, etwa holte bei der Bundestagswahl im September in ihrem Wahlkreis ein Rekordergebnis von mehr als 17 Prozent der Erststimmen, 19,2 Prozent wählten mit der Zweitstimme die AfD. Die CSU dagegen stürzte um 17 Prozent ab.
Ebner-Steiner bezeichnet sich selbst als gläubig. Zum Wahlprogramm ihrer Partei mochte sie sich nicht direkt äußern, sagte dieser Zeitung aber am Dienstag, die AfD sei nicht kirchenkritisch, sondern kritisch gegenüber den Amtskirchen und Teilen ihrer Führerschaft. „Die Kirche als Institution hat eine enorme kulturell-historische Bedeutung“, so Ebner-Steiner, und sie habe die Aufgabe, die Botschaft des Christentums epochenübergreifend zu transportieren. Viele Kirchenvertreter in Deutschland hätten aber diesen Pfad verlassen und mischten sich auffällig deutlich in die Politik ein. „Die AfD ist selbstverständlich bereit, den Dialog mit den Kirchen zu führen, um sie letztlich auch zu stärken.“
Das sehen nicht alle in der Partei so. Auf dem Bundesparteitag in Köln im Frühjahr vergangenen Jahres rief der damalige niedersächsische Landeschef Armin Paul Hampel dazu auf, massenhaft aus der Kirche auszutreten. Er erhielt donnernden Applaus.