Auftritt in Pforzheim AfD: Erika Steinbach macht Wahlkampf für die AfD in Pforzheim

Pforzheim - Waldemar Birkle ist überwältigt. Als der schmale Mann im perfekt sitzenden schwarzen Anzug am Mittwochabend ans Rednerpult tritt, kocht der Saal im Congresscentrum Pforzheim. Es ist einer der Höhepunkte seines Wahlkampfs, die Parteiprominenz der AfD hat sich hier im Südwesten der Republik versammelt. Jörg Meuthen ist da, neben Frauke Petry einer der beiden Bundesvorsitzenden, aber auch Alexander Gauland und Alice Weidel, die beiden Spitzenkandidaten. Es ist der erste gemeinsame Auftritt der beiden, einer der wenigen, die überhaupt geplant sind.
Der Star des Abends aber ist eine, die 43 Jahre lang in der CDU war und dann aus Protest gegen die Politik von Angela Merkel austrat. Erika Steinbach, lange Jahre Präsidentin der Bundes der Vertriebenen, bekommt stehende Ovationen, als sie den Saal betritt. In die AfD eintreten will Steinbach nicht, das hat sie kurz zuvor gesagt. Aber sie macht hier Wahlkampf für die AfD, und auch wählen wird sie sie mit voller Überzeugung, wie sie versichert, weil sie hofft, dass damit eine Fraktion in den Bundestag einziehen wird, „die endlich die Regierung kontrolliert“.
AfD ist in Pforzheim besonders erfolgreich
Das hofft auch Waldemar Birkle. Der Saal ist voll besetzt, 1200 Menschen sind gekommen, um die Erfolge der AfD, die Ausfälle gegen „die etablierte Politik“ zu feiern. „Wir stehen vor der Frage, ob wir unser Deutschland erhalten, wie wir es vor ein paar Jahren gekannt haben“, ruft Birkle, das Publikum tobt. Der 44-Jährige ist der Direktkandidat der AfD für den Wahlkreis Pforzheim-Enz, und seine Chancen stehen nicht schlecht. Nirgendwo im alten Westen der Bundesrepublik ist die AfD so erfolgreich wie in Pforzheim, und das hat auch mit Menschen wie Birkle zu tun.
Er kam selbst kam 1990, mit 17 Jahren aus Kasachstan nach Deutschland, stammt aus einer Familie von Wolgadeutschen, gehört also zu den sogenannten Spätaussiedlern. Heute ist Birkle 44, und er will eigentlich nicht, dass man die Rolle der Russlanddeutschen allzu sehr in den Mittelpunkt stellt. Der Siegeszug der AfD im Südwesten ist ohne sie aber nicht erklärbar.
Im Rathaus sitzt die CDU
Pforzheim war einst eine reiche Stadt, berühmt für ihre Schmuck- und Uhrenindustrie, bis die Briten sie im Februar 1945 in Schutt und Asche legten. Heute hat die Stadt viele Probleme, sie ist stark verschuldet, die Arbeitslosenquote ist hoch, der Migrantenanteil auch. Die CDU-geführte Stadtverwaltung versucht dem schlechten Ruf entgegenzuwirken, mit der „Goldstadt 2017“ an den alten Glanz zu erinnern.
Gute Ergebnisse bei der Landtagswahl
Pforzheim ist auch ein Seismograf für rechte Stimmungen, einst war hier die NSDAP stark, später die NPD und noch später die Republikaner. Bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr holte die AfD aus dem Stand über 24 Prozent, sie wurde damit stärkste Partei, vor der CDU, die dramatisch verlor. Den Erfolg hat die AfD auch den vielen Spätaussiedlern zu verdanken.
In der Siedlung Haidach im Stadtteil Buckenberg ziehen sich Sozialwohnungsblöcke über einen grünen Hügel, es wird fast nur Russisch gesprochen. 8500 Menschen leben hier, zwei von dreien sind Aussiedler. „Klein-Moskau“ nennen die Pforzheimer die Gegend, hier kam die AfD sogar auf mehr als 43 Prozent der Stimmen.
Zentrum des Stadtteils ist der Mix Markt, hier gibt es alles, was die Bewohner für das tägliche Leben brauchen, russisches Gebäck, Konserven, Brot und Gebäck, geräucherten Fisch, eine imposante Wodka-Abteilung. Früher wählten sie hier wie anderswo in Deutschland meist CDU, aus Dankbarkeit gegenüber Helmut Kohl, der sich dafür einsetzte, dass die Spätaussiedler in den 90er Jahren nach Deutschland kommen konnten.
Wenig nette Worte für Angela Merkel
Russlanddeutsche galten lange Zeit als gut integriert, sie waren konservativ, hielten Familie und Religion hoch. Und doch sind in vielen Städten Parallelwelten entstanden. Mit der weit nach links gerückten CDU von Angela Merkel können die meisten nichts mehr anfangen. „Frau Merkel tut nichts für uns“, sagt eine alte Frau in Haidach in hartem Deutsch, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Sie geht schwer, braucht einen Rollator, zwei Frauen am Stock laufen mühsam neben ihr her. Doch es sind vor allem die Jungen, die der zweiten, dritten Generation, die heute die AfD favorisieren.
Viele von ihnen sprechen fast nur Russisch, sie informieren sich über russische Medien und russische soziale Netzwerke. 1,5 Millionen Russlanddeutsche sind wahlberechtigt, und die AfD kann mit ihren Stimmen rechnen. „Die AfD-Wähler haben sich nicht verändert“, sagt Waldemar Birkle, „die CDU hat sich verändert. Wir wollen unsere Werte erhalten.“ Mit der CDU von heute gehe das nicht mehr.
Mit der Flüchtlingspolitik verlor die CDU Stimmen
Ein Wendepunkt war die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, seither schwindet die Zustimmung zur CDU rapide. Mit den neuen, meist muslimischen Zuwanderern aus dem Nahen und Mittleren Osten wollen die Aussiedler nichts zu tun haben. „Wir wollen den Islam in Deutschland nicht“, sagt die alte Frau in Haidach. Sie findet es auch gut, dass die AfD gegen Sanktionen gegen Russland ist. Und so ist es auch kein Zufall, dass sich vor wenigen Wochen hier in Pforzheim die deutschlandweite „Interessengemeinschaft der Russlanddeutschen in der AfD“ gegründet hat. Jörg Meuthen kam ebenfalls persönlich und begrüßte die aus allen Teilen Deutschlands Angereisten – auf Russisch.