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NRW und Niedersachsen "Abu Walaa" und vier weitere IS-verdächtige Islamisten festgenommen

08.11.2016, 10:30

Berlin - Die Haftbefehle wurden schon am 26. Oktober ausgestellt. Doch erst am Dienstag schlugen die Sicherheitsbehörden zu. Sie verhafteten in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fünf Männer: den 32-jährigen irakischen Staatsangehörigen Ahmad Abdulaziz Abdullah A. (Szenename Abu Walaa), den 50-jährigen Türken Hasan C., den 36-jährigen deutschen und serbischen Staatsangehörigen Boban S., den 27-jährigen deutschen Staatsangehörigen Mahmoud O. und den 26-jährigen Ahmed F. Y. aus Kamerun.

Zwar gibt es keinerlei Hinweise auf Anschlagspläne. Allerdings wird den Männern vorgeworfen, junge Muslime für den so genannten Islamischen Staat (IS) in Syrien geworben und ihre Ausreise finanziell wie logistisch unterstützt zu haben. Nach Angaben der federführenden Bundesanwaltschaft hat das Netzwerk mindestens einen jungen Mann samt Familie nach Syrien geschleust.

Klar ist: Der Fahndungs- und Verfolgungsdruck auf die islamistische Szene nimmt in Deutschland erheblich zu. Klar ist ebenso, dass die gestrigen Festnahmen einen langen Vorlauf hatten und im Zentrum eine Person steht – der besagte Abu Walaa, der nach Informationen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums zuletzt in Tönisvorst bei Krefeld lebte und nach Aussagen eines Syrien-Rückkehrers die „Nummer eins des IS in Deutschland“ gewesen sein soll.

Maßgebliche Figur in Hildesheim

Die Berliner Islamismus-Expertin Claudia Dantschke, die im Rahmen der Initiative „Hayat“ Aussteiger berät, sagte dieser Zeitung: „Abu Walaa ist der einzige öffentlich auftretende Prediger, der sich nie vom Islamischen Staat distanziert hat, im Gegenteil.“ Stattdessen sei er seit Beginn des Syrien-Krieges und des Erstarkens des IS immer stärker in Erscheinung getreten. Zudem sei Abu Walaa die bis dahin maßgebliche Figur in Hildesheim, das wiederum als Hotspot der Szene gilt.

Im nördlichen Teil der beschaulichen Stadt in Niedersachsen gibt es seit 2012 den salafistischen „Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim“ (DIK). Aus dessen Umfeld reisten – zumal gemessen an der Einwohnerzahl – auffallend viele Menschen ins IS-Gebiet aus. Die Rede ist von mindestens 19. Ein Video im Netz aus dem Sommer 2013 zeigt, wie junge Männer mit Bärten und grünen T-Shirts in der Fußgängerzone Flugblätter an Passanten verteilen. In Hildesheim fand Ende Juli auch eine Razzia statt, die jedoch mäßig erfolgreich verlief – nicht zuletzt weil ein örtliches Medien vorab über die Aktion berichtet hatte. Seinerzeit wurden lediglich Bargeld und Computer sichergestellt.

Abu Walaa ist es schließlich, der sich mehr und mehr zum Gegenspieler des weitaus bekannteren Salafisten-Predigers Pierre Vogel entwickelt hat. Denn Vogel hat sich bereits vor geraumer Zeit vom IS distanziert und gilt Dantschke zufolge seither als „Abtrünniger“. Abu Walaa selbst habe sich gegen den Konkurrenten zwar noch zurück gehalten, betont sie. Doch aus der Szene um ihn herum habe es sogar verklausulierte Mordaufrufe gegeben. Diese Szene wirft Vogel vor, Abu Walaa bei den deutschen Behörden denunziert zu haben und letztlich für die Hildesheimer Razzia verantwortlich zu sein.

Vor allem online, selten persönlich in Erscheinung

Der gebürtige Iraker sei so oder so „eine sehr wichtige Person“, sagt Dantschke. Insofern treffe die Verhaftung „den Richtigen“. „Ich wüsste keinen, der so einen Status hat wie Abu Walaa und der als Prediger so verehrt wird.“ Dabei agiert der Mann bekanntermaßen vor allem online und tritt seltener persönlich in Erscheinung – weshalb man ihn auch den „Prediger ohne Gesicht“ nennt. Die in sich gespaltene militante Salafisten-Szene übrigens umfasst nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes insgesamt etwa 1200 Menschen. Dantschke schätzt den Anteil der IS-Anhänger in dieser Szene auf bis zu 500.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach gestern mit Blick auf die fünf Festnahmen von einem „wichtigen Erfolg“ der Sicherheitsbehörden, die unlängst nicht nur den terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr stellten, der sich später in seiner Zelle erhängte, sondern zweimal auch gegen verdächtige Tschetschenen zuschlugen – und vorige Woche gegen einen terrorverdächtigen Mann in Berlin, der sich als Syrer ausgab, aber vermutlich Tunesier ist. Der jüngste Zugriff zeige, so der CDU-Politiker, dass Polizei und Geheimdienste „aktiv, entschlossen und wachsam“ seien.

Abu Walaa soll am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden. Er dürfte eine ganze Weile in Untersuchungshaft bleiben. Ob es auch gelingen wird, den islamistischen Propagandisten rechtskräftig zu verurteilen, ist offen.