"Ab morgen in die Fresse" "Ab morgen in die Fresse": Andrea Nahles ist als Fraktionschefin gewählt worden

Berlin - „Ein bisschen wehmütig - und ab morgen kriegen sie in die Fresse.“ Das ist die Antwort der neuen SPD-Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles auf die Frage, wie sich ihre letzte Kabinettssitzung in der großen Koalition angefühlt habe. Dann lacht sie ausgiebig und fröhlich. Eben noch Arbeitsministerin unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), jetzt schon Oppositionsführerin: Es wirkt nicht so, als würde Nahles der Rollenwechsel schwerfallen.
Nahles ist die erste Frau der SPD in diesem Amt
Kurz zuvor ist Nahles in ihr neues Amt gewählt worden, als erste Frau in der Geschichte ihrer Partei. In geheimer Wahl erhielt sie von 137 von 152 abgegebenen gültigen Stimmen – das sind 90,7 Prozent. Das ist ein gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass vom rechten Parteiflügel, dem Seeheimer Kreis, am Montag noch Widerstand gegen schnelle Festlegungen in der Frage laut geworden war. Nahles machte in einer kämpferischen Rede nach Angaben aus Teilnehmerkreisen vor den Abgeordneten klar, das Ziel müsse sein, die SPD wieder über 30 und die AfD unter fünf Prozent zu bringen.
Es ging dem rechten Parteiflügel offenkundig nicht darum, Nahles als Chefin zu verhindern. Die bisherige Arbeitsministerin hat ihre Karriere als Parteilinke gestartet, gilt aber schon lange als Pragmatikerin. Der Seeheimer Kreis wollte nun unbedingt einen aus den eigenen Reihen als Parlamentarischen Geschäftsführer durchsetzen. Der ursprünglich von Parteichef Martin Schulz vorgesehene Kandidat, Hubertus Heil, gehört aber eben nicht zu den Seeheimern, sondern zum Netzwerk. Das ist eine dritte Vereinigung in der SPD-Fraktion, die 1999 von reformorientierten, eher jüngeren Abgeordneten gegründet wurden.
Rechter Parteiflügel will berücksichtigt werden
Der Seeheimer Kreis setzte also durch, dass statt Heil der Haushaltsexperte Carsten Schneider den Job als Parlamentarischer Geschäftsführer erhielt – und wählte im Gegenzug ohne weiteres Murren Nahles zur Fraktionschefin. Es ist jetzt nicht so, dass Heil inhaltlich viel von Schneider unterscheiden würde. Aber der rechte Parteiflügel hat deutlich gemacht, dass er berücksichtigt werden muss. Oder wie der Sprecher der Seeheimer, Johannes Kahrs, es ausdrückte: Die SPD sei eine Möwe mit zwei Flügeln. Da müsse sorgfältig auf die Tarierung geachtet werden, damit der Vogel am Ende auch wirklich fliegt. Dass Schneider mit nur 77 Prozent zum Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt wurde, dürfte daran liegen, dass einige Netzwerker sich für das Ausbooten von Heil revanchieren wollten.
Dass alles ließe sich unter anderen als normales Ringen der Parteiflügel und Strömungen einordnen. Oder auch wie gewöhnliche Animositäten verschiedener Cliquen in einer Schulklasse. Wenn, ja wenn es da nicht einen gäbe, der eigentlich Chef all dieser Cliquen sein sollte: Parteichef Martin Schulz. Hubertus Heil, der mitten im Wahlkampf als SPD-Generalsekretär einsprang, war seine Wahl für den Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers. Dass er sie nicht durchbekam, zeigt: Die Autorität von Schulz als Parteichef ist nach der historischen Wahlniederlage angeschlagen.