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40. Jahrestag am 7. Oktober 1989 40. Jahrestag am 7. Oktober 1989: Die letzte große Inszenierung der DDR-Oberen

04.10.2019, 12:59
Die Ehrentribüne auf der Karl-Marx-Allee während der Militärparade am 7. Oktober 1989 in Ost-Berlin
Die Ehrentribüne auf der Karl-Marx-Allee während der Militärparade am 7. Oktober 1989 in Ost-Berlin ADN

Berlin - Auf den großen Jahrestag am 7. Oktober 1989 hat sich die Stasi gut vorbereitet. Die „Sicherungsaktion“ heißt „Jubiläum 40“ und wird vom Staatssicherheits-Minister Erich Mielke selbst unterzeichnet. Die DDR-Oberen wollen den 40. Jahrestag der DDR groß feiern - mit einem Festprogramm, im Palast der Republik, mit Parade und Fackelzug. Dabei gärt es im Land seit langem, die Menschen flüchten massenweise in den Westen. SED-Generalsekretär Erich Honecker, nach längerer Krankheit erst wenige Tage wieder an Deck, will die Flüchtlinge und Demonstranten offiziell totschweigen.

Mielke ordnet für die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an, eine Diskreditierung der „erfolgreichen Entwicklung unserer Republik“ dürfe nicht zugelassen werden. Absichten „des Gegners und innerer feindlicher, oppositioneller u.a. negativer Kräfte“ müssten umfassend aufgeklärt, keinerlei Provokationen dürften zugelassen werden, heißt es in dem Papier aus der Stasi-Unterlagen-Behörde weiter.

40. Geburtstag der DDR: Räumfahrzeuge gegen kritische Demonstranten

Es wird die letzte große Inszenierung der DDR-Oberen. Zu der gehört am Vorabend des 7. Oktober ein gigantischer Fackelzug junger Menschen auf dem Boulevard Unter den Linden. Das löst bei vielen Menschen Beklemmungen und Protest aus. Die Führungsriege Honecker lässt gegen kritische Demonstranten mit Festnahmen und Räumfahrzeugen vorgehen.

Als die Polit-Prominenz im hell erleuchteten Palast am Abend des 7. Oktober aufspielen lässt, ist auch der sowjetische Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow zu Gast. Von der Straße erklingt der Ruf „Gorbi, hilf uns“. Demonstranten bleiben hinter einer Polizeikette an der Spreebrücke vor dem Gebäude stecken. Nachdem mehrere tausend Menschen dann in Richtung Prenzlauer Berg ziehen, heißt es bei den Sicherheitskräften: „Knüppel frei“. Viele werden verhaftet.

Honecker befürchtete Krawalle in Berlin, Leipzig, Halle & Co.

Oppositionelle sammeln in den folgenden Wochen Informationen über Verhaftungen und gewaltsame Übergriffe und veröffentlichen sie auf verschiedenen Wegen. Wenig später muss die SED-Führung Fehler zugeben und stimmt einer unabhängigen Untersuchungskommission zu - bis dahin undenkbar.

Noch nach dem Jahrestag hatte Honecker in einem Schreiben an die Bezirkschefs der Partei festgestellt, Demonstrationen besonders in Berlin, Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), Halle, Erfurt und Potsdam seien gegen den sozialistischen Staat gerichtet gewesen. Es sei damit zu rechnen, dass „es zu weiteren Krawallen kommt“. Sie seien „von vornherein zu unterbinden“.

Doch das Ende ist nicht mehr aufzuhalten. Noch im Oktober muss Honecker zurücktreten. Wenige Wochen später, am 9. November 1989, fällt die Mauer und besiegelt das Ende des Arbeiter- und Bauern-Staates. Ein Jahr danach, am 3. Oktober 1990, tritt die DDR der Bundesrepublik bei.

Am 7. Oktober 1949 entsteht mit der DDR der zweite Staat auf deutschem Boden

Mit einem Fackelzug hatte die DDR in Ost-Berlin auch ihre Gründung vor nunmehr 70 Jahren gefeiert. Damals habe echte Aufbruchstimmung geherrscht, erinnerten sich später Zeitzeugen. Zum 40. Jahrestag war davon allerdings schon lange nichts mehr zu spüren.

Knapp fünf Monate nach Gründung der Bundesrepublik entsteht am 7. Oktober 1949 mit der DDR der zweite Staat auf deutschem Boden. Die Provisorische Volkskammer beschließt eine Verfassung. Ost-Berlin wird Hauptstadt der DDR, Wilhelm Pieck der erste Präsident.

Jahre voller Spannung liegen zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der DDR-Gründung. Neue Währungen werden in Ost und West eingeführt, im Osten werden mit der Bodenreform Landbesitzer enteignet. Vor allem die Zwangsvereinigung von SPD und KPD 1946 zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) stellt die Weichen.

Für Adenauer war die Ost-Republik eine illegitime Institution

„Die Gründung der DDR bedeutete die Erfüllung des Vermächtnisses der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung und der antifaschistischen Kämpfer“, meinte die DDR-Geschichtsschreibung. Für Bundeskanzler Konrad Adenauer war die Ost-Republik hingegen schlichtweg eine illegitime Institution.

Nach dem Kriegsende stimmten etliche Menschen im Osten dem Ziel „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ durchaus zu. Gerade in den sowjetischen Besatzungszonen waren die Folgen des Krieges drastisch: Umfangreiche Reparationsleistungen für die Sowjetunion mussten erbracht werden. Flüchtlingsströme, zerstörte Städte und Mangel an fast allem bestimmten am Anfang das Leben im Osten Deutschlands.

Ihre Unzufriedenheit über die Erhöhung von Preisen, die erneute Ausgabe von Lebensmittelkarten und schließlich die Anhebung der Arbeitsnormen um mindestens zehn Prozent bringen am 17. Juni 1953 Viele auf die Barrikaden. Doch sowjetische Panzer walzen den Arbeiteraufstand blutig nieder.

Am 13. August 1961 wurde der „Mauerstaat“ geboren

Während im Westen bald mit US-amerikanischer Hilfe das Wirtschaftswunder beginnt, verlassen Hunderttausende vor allem über West-Berlin den SED-Staat. Die Antwort: In den Morgenstunden des 13. August 1961 beginnt der Bau der Mauer, der die Teilung Deutschlands für rund 28 Jahre besiegelt. Die DDR sieht sich auch nach dem Mauerbau von Feinden umzingelt und baut mit der Staatssicherheit ihren Überwachungsapparat aus. Die Grenzanlagen werden weiter verstärkt. Kritik am Staat wird unterdrückt.

Historiker bezeichnen den 13. August 1961 als den wirklichen oder heimlichen Geburtstag der Republik, heißt es bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Denn an diesem Augustsonntag sei der „Mauerstaat“ geboren worden.

Seit den Feiern zum 40. DDR-Jahrestag wird Gorbatschow mit dem inzwischen legendären Ausspruch an die Adresse Honeckers zitiert, der zumindest wörtlich so nie gefallen sein soll: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ (Jutta Schütz, dpa)