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20 Jahre nach dem Palme-Mord 20 Jahre nach dem Palme-Mord: Schweden trauert um vergangene Epoche

24.02.2006, 09:02
Blumen auf dem Tatort der Ermordung des schwedischen Ministerpräsident Olof Palme in Stockholm (Archivbild vom 01.03.1986). (Foto: dpa)
Blumen auf dem Tatort der Ermordung des schwedischen Ministerpräsident Olof Palme in Stockholm (Archivbild vom 01.03.1986). (Foto: dpa) Pressensbild

Stockholm/dpa. - Jetzt haben sie bis zum Ablauf der Verjährungsfrist von25 Jahren für Mord noch genau fünf Jahre Zeit.

Olof Palme, 1927 geboren und Schwedens international berühmtesterund einflussreichster Politiker der Neuzeit, starb in der Nacht des28. Februar 1986 auf dem Heimweg von einem Kinobesuch mit seinerEhefrau Frau Lisbet. An der Ecke Sveavägan und Tunnelgatan, die heuteOlof-Palmesgatan heißt, sprang plötzlich ein Mann auf das ohneLeibwächter durch die Innenstadt spazierende Paar zu, feuerte ausnächster Nähe zwei Schüsse aus seinem Magnum-Revolver ab undverschwand durch einen Fußgängertunnel.

Der Mord hat Schweden erschüttert wie kein anderes Ereignis seitdem Zweiten Weltkrieg. Jeder im Lande kann sich, das nötige Altervorausgesetzt, genau erinnern, wie er oder sie die Nachricht vomAnschlag mitbekam. Es folgten weitere nationale Katastrophen. AchtJahre später der Untergang der «Estonia» mit 852 Toten. Der (schnellaufgeklärte) Mord an Außenministerin Anna Lindh am 10. September 2003und schließlich die Tsunamiwelle Weihnachten 2004, von der Schwedenmit zehntausenden Thailand-Urlaubern schlimmer getroffen wurde alsalle anderen europäische Staaten.

Keines der folgenden Ereignisse aber hat das Selbstverständnis indem vorher über 200 Jahre von Krieg und politischer Gewalt verschontgebliebene Land so nachhaltig verändert wie der Mord an Olof Palme.«Interessant waren dabei eigentlich weniger der Mörder oder seinOpfer. Trauer, Traum und Hypthesen galten einer Epoche, die hierendete», schrieb der Schriftsteller Per Olov Enquist (71) schon vor15 Jahren in seinem großen Essay «Ein Wintermord».

Heute besteht allgemein Einigkeit darüber, dass mit dem Mord anPalme das zu Ende ging, was die Schweden selbst als glücklichePeriode ihres «Folkhemmet» («Volksheimes») mit schnell steigendemWohlstand, sozialer Sicherung für alle und dem friedlich-freundlichenAusgleich von Interessenkonflikten empfinden.

Das totale Fiasko bei der Suche nach dem Mörder dürfte zu dieserfundamentalen Veränderung des Selbstverständnisses fast ebensobeigetragen haben wie der Anschlag selbst. Immer fassungslosermussten die Schweden mit ansehen, wie ihre Polizei erst bei derSpurensicherung alles, aber auch alles falsch machte und dannmonatelang bei der wichtigsten Fahndungsarbeit des Jahrhundertswirren Konspirationstheorien über eine angebliche Verschwörung vonExil-Kurden folgte.

Es dauerte zweieinhalb Jahre, bis seriösere kriminalistischeArbeit Ende 1988 die Festnahme des drogenkranken KleinkriminellenChrister Pettersson brachte. Der notorische Palme-Hasser hatte, soZeugen, Palme beim Gang ins Kino erkannt, während der Vorstellungeinen Revolver besorgt und das Paar nach dem Verlassen des «Grand»verfolgt. Wiederum groteske Polizeifehler bei der Identifizierungdurch die heute 74-jährige Lisbet Palme verschafften dem zunächstals Palme-Mörder verurteilten Pettersson Ende 1989 in der Revisionden endgültigen Freispruch. Seitdem gilt der Anschlag offiziell alsnicht aufgeklärt, Pettersson starb 2004 unter nie geklärten Umständenmit 57 Jahren.