100. Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer 100. Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer: «Sind wir noch brauchbar?»

Hamburg/dpa. - Derprotestantische Pfarrer gehörte zu diesem Zeitpunkt zumWiderstandskreis um den Chef der Auslandsabwehr, General HansCanaris. Er hatte noch drei Monate in Freiheit vor sich. Am 9. April1945 kurz vor der deutschen Kapitulation wird Dietrich Bonhoeffer inFlossenburg erhängt.
Der 100. Geburtstag am 4. Februar wird in aller Welt und inzahllosen Bonhoeffer-Schulen und -Gemeinden begangen. DieEvangelische Kirche in Deutschland ehrt Bonhoeffer mit einer Vesperim Berliner Dom und einer Gedenkstunde am Denkmal in seinerGeburtsstadt Breslau. In der Abtei von Westminister in London wirdseiner unter einer Statue gedacht, die Bonhoeffer als einen von zehnchristlichen Märtyrern des 20. Jahrhunderts zeigt. Neben denGeschwistern Scholl und dem Hitler-Attentäter Graf Schenk vonStauffenberg ist der blonde Theologe zum bekanntesten Symbol für denkleinen Kreis des erfolglosen, aber aufrechten Widerstands gegen dieHitler-Barbarei geworden
«Mein Sohn hätte an sich gewiss nicht den Wunsch gehabt, dassStraßen nach ihm benannt werden,» schrieb der Vater Karl-FriedrichBonhoeffer (1868-1948) auf eine Anfrage. Ein halbes Jahrhundertspäter wäre vielleicht Ähnliches über Dietrich Bonhoeffers Verhältniszu Feierstunden an seinem 100. Geburtstag zu sagen.
Bonhoeffer wuchs mit sieben Geschwistern in einer großbürgerlichenFamilie auf. Nach einer ersten Sation als Pfarr-Vikar in Barcelonaund einem Studienjahr in New York erlebte der als große theologischeBegabung geltende Student Hitlers Machtergreifung 1933 alskirchlicher Jugendsekretär sowie Universitäts-Assistent in Berlin. Erstürzte sich ohne Zögern in den Kirchenkampf gegen jede Form vonAnpassung der lutherischen Kirche an die Nazis. Zu seinen Forderungengehörte auch ein kompromissloses Eintreten für die immer härterverfolgten Juden.
Bonhoeffer wird als Mitstreiter von Martin Niemöller (1892-1984)einer der profiliertesten Köpfe in der Bekennenden Kirche. VonArbeits-Aufenthalten in Großbritannien und New York kehrte er gegendie Bitten von Freunden nach Deutschland zurück, weil er als einzigmöglichen Platz für sich den im eigenen Land und im Widerstand sieht.
Ab 1938 versuchte er mit seinen Widerstands-Aktivitäten mehr undmehr vom kirchlichen Raum aus direkt in den Apparat der Naziseinzudringen. Bonhoeffers Schwager Hans von Dohnanyi (1902-1945),Vater des Politikers Klaus von Dohnanyi (78) und des DirigentenChristoph von Dohnanyi (77), verschaffte Bonhoeffer unter anderem zurFreistellung vom Kriegsdienst eine Position als V-Mann der vomWiderstand genutzten Auslandsabwehr. Bei Reisen nach Schweden,Norwegen und in Schweiz mit fingiertem Auftrag versuchte er, Kontaktezwischen Widerstand und Alliierten zu knüpfen.
Bonhoeffer wurde am 5. April zusammen mit Dohnanyi festgenommen.Bis Ende 1944 saß er im Gefängnis Tegel unter relativ erträglichenBedingungen. Hier schrieb er unter dem Titel «Widerstand undErgebung» berühmt gewordene Briefe, Reflexionen und Gedichte. Wer siegenau liest, erhält ein vielfältigeres Bild von der Person desHäftlings, der immer gern als unbeugsame, alle anderen tröstende, nieverzagende und widerspruchsfreie Widerstands-Ikone dargestellt wird.
Erst spät bekannt geworden sind Einzelheiten von Bonhoeffers Liebezu der 18 Jahre jüngeren Maria von Wedemeyer (1924-1977), mit er sichin der Haft verlobte. Bis zum misslungenen Attentat am 20. Juli1944 überwog die Hoffnung auf ein Überleben und die Freiheit. AlsBonhoeffer in Flossenbürg nackt zum Galgen gehen musste, lautete seinletzter Satz: «Das ist das Ende - Für mich der Beginn des Lebens.»