«Ossi-Laden» in München «Ossi-Laden» in München: Keine Warteschlangen für «Nudossi»

München/dpa. - Gut zehn Jahre lang nicht, bis er die Marktlücke entdeckte und mitseinem «Ossi-Laden» im Münchner Stadtteil Pasing zum Geheimtipp für«Ostalgiker» wurde.
Am Ende einer langen Sackgasse, weit ab vom Schuss, übernahmReinsch vor bald zwei Jahren einen Getränkemarkt mit schlechtenUmsätzen. Anfangs lief das Geschäft mit Münchner Bieren undamerikanischen Limonaden zäh. Die Idee, Getränke und Essen aus demOsten zu verkaufen, brachte schlagartig Erfolg. Mit dem Slogan«(K)östlich gut» und viel Mundpropaganda gelang es dem aus Ebersbachbei Zittau stammenden Reinsch, «Ossis» aus ganz Süddeutschland undsogar aus Österreich nach München-Pasing zu locken.
«Es gibt viele Gründe, Marken aus DDR-Zeiten zu kaufen», sagtReinsch. «Bei manchen mögen es nostalgische Gefühle sein, anderewollen die Heimat unterstützen, aber vor allem schmecken vielWestprodukte nicht so, wie die aus dem Osten», erklärt derOberlausitzer. Es kämen zwar auch immer mehr Wessis, aber etwa achtvon zehn Kunden sind «Ossis», schätzt Reinsch.
Die Kunden, gleichgültig ob aus Ost oder West, werden immerzahlreicher wie auch das Angebot im Laden vielfältiger. Reinschüberlegt deshalb, in einem größeren Laden umzuziehen. Der Erfolgkommt nicht von ungefähr. Zum einen profitiert Reinsch, wie erselbst glaubt, von einem Ost-Boom. So bekommt er beispielsweiseAngebote, «DDR-Partys» in Münchner Discotheken zu beliefern.
Die eigentliche Erfolgsformel ist aber bei Enrico Reinschpersönlich zu finden, denn viele kommen nicht nur der ostdeutschenBiere oder Leckereien wegen. Bei «Rico» finden sie ein Stück Heimat:Es wird getratscht, diskutiert und über das Leben philosophiert. Aufberlinerisch, thüringisch oder sächsisch. Hier ist man «Ossi» unddarf stolz darauf sein. «Das hat gar nichts mit 'Hoch lebe die DDR zutun', aber es ist ein schönes Gefühl von Zusammengehörigkeit»,beschreibt Reinsch den besonderen Charme seines Ladens.
Die Zusammengehörigkeit ist derzeit besonders zu spüren: Für dieOpfer der Flutkatastrophe bittet Reinsch um Sach- und Geldspenden undorganisiert privat die Hilfstransporte. Das Telefon im Laden stehtkaum mehr still, Menschen rufen an und bieten ihre Hilfe an.Stündlich bringen hilfsbereite Bürger Waschmaschinen, Kühlschränkeund Kleiderkartons vorbei. Viele wollen wissen, wie der ersteHilfstransport verlief, wie es aussieht in der Heimat und fragen, wasman noch tun kann. Derweil gehen «Rotkäppchen Sekt», Zigaretten von«f6» und ein Becher «Nudossi» über den Ladentisch. Und Warteschlangengibt es nur, wenn Enrico Reinsch zu lange mit einem Kunden tratscht.