Obduktion beweist: Taliban erschossen deutsche Geisel
Berlin/Kabul/Seoul/dpa. - Der deutsche Bauingenieur Rüdiger D. wurde von seinen Entführern in Afghanistan mit zwei Schüssen ermordet. Dies geht aus dem Obduktionsbericht hervor, den das Auswärtige Amt am Donnerstag in Berlin teilweise veröffentlichte.
Damit starb zum ersten Mal seit 2000 wieder ein Deutscher im Ausland gewaltsam in Geiselhaft. Derweil hielt der Nervenkrieg um das Schicksal von mehr als 20 weiteren ausländischen Geiseln in Afghanistan an. Darunter befindet sich auch der Kollege des getöteten Deutschen. Die anderen Geiseln sind aus Südkorea.
Bei der Obduktion durch das Kölner Institut für Rechtsmedizin ging es vor allem um die Frage, ob der 44-Jährige nach der Verschleppung am 18. Juli an den Strapazen des Marsches durch die afghanischen Berge starb oder ermordet wurde. Dabei stellte sich heraus, dass die an Diabetes leidende Geisel zwar einen Kreislaufzusammenbruch erlitt, der aber «für sich genommen noch nicht zum Tod» führte. Der Ingenieur sei erst durch zwei Schüsse gestorben, heißt es in dem Bericht. Als er bereits tot war, feuerten die Entführer noch vier Mal auf ihn.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte sich erschüttert über das Obduktionsergebnis. «Die letzten Stunden des Verstorbenen waren ein Martyrium. Seine Entführer haben ihn grausam in den Tod getrieben, seinem Leben schließlich in verbrecherischer Weise ein Ende bereitet», sagte Steinmeier während einer Westafrika- Reise in Accra (Ghana). «Dieses Verbrechen darf nicht ungesühnt bleiben.»
Zuletzt war im Juli 2000 ein 48 Jahre alter Rucksack-Tourist in Indien verschleppt und erschossen worden. Nach einem Bericht des NDR wurde der nun in Afghanistan ermordete Ingenieur am Mittwoch im engsten Familienkreis in Neumünster (Schleswig-Holstein) beigesetzt. Er hinterlässt eine Frau und einen schulpflichtigen Sohn.
D. war zusammen mit seinem 62-jährigen Kollegen Mitte Juli entführt worden. Auch nach mehr als zwei Wochen wurde weiter um dessen Leben gebangt. Offenbar finden seit Tagen Gespräche über seine Freilassung statt. Unbekannt ist, ob die Entführer Lösegeldforderungen gestellt haben. Keine offiziellen Angaben gibt es zu den Drahtziehern der Entführung. Nach dpa-Informationen handelt es sich um eine örtliche Taliban-Gruppierung mit kriminellem Hintergrund.
Im Ringen um die 21 in Afghanistan entführten Südkoreaner nahmen die Geiselnehmer nach eigenen Angaben direkte Gespräche mit der südkoreanischen Regierung auf. Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, die Entführer hätten mit dem südkoreanischen Botschafter in Kabul telefoniert. Mitglieder der radikal-islamischen Taliban in der südostafghanischen Provinz Ghasni seien auch zu einem Treffen von Angesicht zu Angesicht bereit.
Ahmadi betonte, die Taliban blieben bei ihrer Forderung nach Freilassung von acht Gesinnungsgenossen in afghanischer Haft. Nach dem Mord an einer zweiten koreanischen Geisel in der Nacht hatte die Regierung in Seoul betont, die Erfüllung der Forderung sei jenseits ihrer Möglichkeiten. Südkorea und die USA schlossen unterdessen einen Militäreinsatz zur Befreiung der verschleppten Koreaner aus.