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Nutzpflanzen Nutzpflanzen: Der Feind im Maisfeld

Von JULIA KLABUHN 02.08.2011, 17:11

Halle (Saale)/MZ. - Der Pilz Colletotrichum graminicola arbeitet mit 60 bar Druck. Zum Vergleich: Der Druck eines Autoreifens beträgt zwei bis zweieinhalb bar. Der Pilz erzeugt den Druck, indem er seine Infektionszellen - vereinfacht gesagt - mit Wasser vollpumpt. Das Ziel: In die Blätter von Maispflanzen eindringen und dort wachsen. Das Ergebnis jagt Landwirten allein schon beim Gedanken daran kalte Schauer über den Rücken. Denn die infizierten Teile des Blatts sterben ab. Colletotrichum graminicola kann ganze Ernten vernichten.

"In den USA hat der Pilz regelrecht Karriere gemacht", sagt Holger Deising, geschäftsführender Direktor des Interdisziplinären Zentrums für Nutzpflanzenforschung (IZN) Halle. Im mittleren Westen der USA habe der Pilz den Anbau von Zuckermais dauerhaft zum Erliegen gebracht, sagt der Wissenschaftler. Die Pilze verbreiten sich über Regenwasser. Ihre Sporen können auf diese Weise schnell von Pflanze zu Pflanze überspringen.

Am IZN, ein der Universität Halle assoziiertes Zentrum, wird nun erforscht, welche Gene den Pilz zu einem so gefährlichen Krankheitserreger machen. Auf dieser Grundlage sei es dann möglich, mit gezielten Pflanzenschutzmaßnahmen den Mais vor Schaden zu bewahren. Gezielt müsse man unter anderem deshalb vorgehen, weil nicht alle Pilzarten den Nutzpflanzen schaden. Einige, erklärt Deising, brauchen die Pflanzen sogar zum Wachsen. Diese nützlichen Pilze, die in Symbiose mit dem Mais leben, sollen durch neue Pflanzenschutzmaßnahmen nicht beeinträchtigt werden.

Bei der Suche nach einer Strategie gegen Colletotrichum graminicola hilft den Wissenschaftlern, dass das Erbgut des Pilzes bereits entschlüsselt worden ist. So können einzelne Gene gezielt ausgeschaltet werden. Zum Beispiel ein Gen, das zur Festigkeit der Zellwände beiträgt. "Diese Stabilität ist notwendig, weil die Infektionszellen des Pilzes ja mit hohem Druck arbeiten", sagt Deising. Schritt für Schritt werden dann die Pilze, bei denen jeweils eine andere Stelle im Gen mutiert, also ausgeschaltet ist, an den Maispflanzen auf ihre Gefährlichkeit getestet. "Jeder Wissenschaftler kann im Jahr rund zehn Mutanten erzeugen", sagt Deising.

Weil diese Strategie einige Zeit in Anspruch nimmt, wird parallel eine zweite verfolgt. Diese arbeitet nach dem Zufallsprinzip. Ein Bakterium, das eigentlich Pflanzen befällt und in deren Zellen seine DNA einschleust, wird ausgetrickst: Chemische Substanzen, die dem Bakterium gewöhnlich signalisieren, dass eine Pflanze in der Nähe ist, werden auf die Pilzkultur aufgetragen. Das Bakterium schleust deshalb DNA in den Pilz ein. Dort wird der Genabschnitt nach dem Zufallsprinzip an jeweils unterschiedlichen Stellen integriert. Der Test an der Maispflanze zeigt dann, ob eine Stelle im Pilzgenom betroffen ist, die Gefährlichkeit von Colletotrichum graminicola senkt.

Die Ergebnisse aus Deisings Arbeitsgruppe könnten - neben weiteren Forschungsarbeiten zu dem Pilz - einen Teil dazu beitragen, genetisch veränderte Maispflanzen zu erzeugen. Diese sollen gezielt gegen Colletotrichum graminicola resistent sein. Dass genveränderte Pflanzen ein umstrittenes Thema sind, will Deising nicht bestreiten. "Es ist wichtig, solche Diskussionen zu führen." Und man dürfe nicht vergessen, dass neben diesen molekular-genetischen Ansätzen auch die klassische Züchtung weiterhin wichtig ist. Deising bezeichnet die Diskussion Züchtung versus Gentechnik als ein Spannungsverhältnis, aber im "produktiven Sinn". Nur so könne man eine neue Qualität in der Nutzpflanzenforschung erreichen.