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Musikindustrie Musikindustrie: Bejubelte Stagnation

Von Th. Magenheim-Hörmann 03.02.2012, 19:01

münchen/MZ. - Vor 15 Jahren hat das Internet begonnen, die Musikindustrie zu fressen. Schier unaufhaltsam ging es seitdem mit legalen Umsätzen durch den Verkauf von Tonträgern bergab, weil illegale Downloads den Musikkonzernen immer mehr das Wasser abgegraben haben. 2012 ist die Wende in greifbarer Nähe. Schon voriges Jahr kam die Erosion der CD-Verkäufe als hier zu Lande immer noch tragender Säule des Geschäfts fast zum Erliegen. Um gut ein Viertel sprunghaft gewachsene legale Downloads haben den Abrieb erstmals kompensiert. "Wir freuen uns über die stabile Marktentwicklung", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), Florian Drücke.

Knapp 1,5 Milliarden Euro dürfte 2011 der Umsatz mit legal verkaufter Musik gebracht haben, so viel wie im Jahr zuvor. Wenn die Trends anhalten, ist 2012 erstmals wieder Wachstum drin, hofft man beim Verband, wagt es aber noch nicht laut zu sagen. "Bei allen Erfolgen dürfen wir nicht vergessen, dass sich das Marktvolumen in den vergangenen Jahren nahezu halbiert hat", betont Verbandschef Dieter Gorny. Das Wort Trendwende will er nicht in den Mund nehmen. Kollegen aus aller Welt sind weniger zurückhaltend.

"Statt Gegenwind haben wir jetzt Rückenwind", jubelt Edgar Bender, der für das internationale Geschäft von Sony Music zuständig ist. "Wir haben allen Grund zum Optimismus", assistiert Frances Moore als Chefin des Weltverbands der Musikindustrie IFPI. 16,2 Milliarden Dollar (12,3 Milliarden Euro) hat die Branche 2011 umgesetzt, nur drei Prozent weniger als das Jahr zuvor. Das gilt in der Musikindustrie schon als Erfolg. Digitale Verkäufe in Form legaler Downloads stiegen 2011 um acht Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar, während CD-Verkäufe um knapp ein Zehntel auf rund elf Milliarden Dollar schrumpften. Damit wurde global ein Drittel aller Musik per Internet verkauft, Tendenz steigend. Am weltgrößten Musikmarkt USA war es schon 2011 erstmals soweit, dass digitale Verkäufe mehr als die Hälfte des Geschäfts gebracht haben. Die Branche führt das vor allem darauf zurück, dass es immer mehr legale Quellen für Musik-Downloads gibt. Einen Quantensprung hat hier das Vorjahr gebracht. Waren es Anfang 2011 noch 23 Länder mit großen, legalen Verkaufsplattformen im Internet wie iTunes oder Spotify, ist die Abdeckung ein Jahr später auf 58 Länder gestiegen. Allein hier zu Lande gibt es gut 70 legale Musikdienste.

Legale Musikverkäufe stehen aber auch deshalb vor einer Trendwende zum Besseren, weil international der Kampf gegen Internetpiraterie wirkt. Als Vorbild nennt die Musikindustrie Frankreich. Dort flackern Warnhinweise auf dem Bildschirm eines Musikfans auf, wenn der einen illegalen Download startet, beschreibt der BVMI das System, das sich Verbandschef Gorny auch für Deutschland wünscht. Diese unmittelbare Erfahrung erwischt werden zu können, wo man sich lange völlig sicher wähnte, schreckt ab, wird in der Szene bestätigt. In Frankreich sanken die Urheberrechtsverletzungen nach der Einführung des Warnmodells immerhin um ein Viertel, sagt der BVMI. Zwei Millionen weniger Raubkopierer heißt das in absoluten Zahlen.

In Deutschland werden die Daumenschrauben für Internetpiraten nicht angezogen, sagt ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Zwar werde Deutschland bald das internationale Acta-Abkommen gegen Raubkopien aller Art unterzeichnen. Handlungsbedarf oder gar Netzsperren bei illegalen Downloads löse das aber nicht aus.