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Miltitz Aromatics Miltitz Aromatics: Der richtige Riecher

Von STEFFEN HÖHNE 26.12.2010, 16:32

BITTERFELD-WOLFEN. - DieGeschäfte des Riechstoff-Herstellers MiltitzAromatics laufen gut. Im Jahr 2010 erhöhtedas Unternehmen aus Bitterfeld-Wolfen seinenUmsatz um 63 Prozent auf 11,3Millionen Euro,sagte Geschäftsführer Peter Müller. MiltitzAromatics liefert in 27 Länder Riechstoffe,die etwa in Parfüms eingesetzt werden. Sosteckt in Chanel No. 5 ein Stück Bitterfeld.Die Firma mit 43 Mitarbeitern produziert insgesamt50 verschiedene Riech- und Aromastoffe.

Jean-BaptisteGrenouille ist ein Genie. Mit seiner feinenNase kann er hunderte Gerüche voneinanderunterscheiden. Seine Gabe nutzt der 1738 inParis geborene Mann, um Parfüme zu kreieren,die Frauen und Männer gleichermaßen betören.In Patrick Süskinds Weltbestseller "Das Parfum"nutzt Grenouille fettgetränkte Tücher, umaus handgepflückten Blüten die Essenzen zugewinnen. Selbst vor Mord schreckt er nichtzurück, um jungen Mädchen ihren Duft zu entreißen.

Auch wenn es nur eine Geschichte ist:"Parfüm wurde damals wirklich in Gold aufgewogen",sagt der Chemiker Peter Müller. Noch heutesei es extrem aufwändig und teuer, aus PflanzenRiechstoffe zu gewinnen. Ende des 19. Jahrhundertsentdeckten Wissenschaftler, dass die ganzeProzedur auch einfacher geht. Chemiker begannendas Geheimnis der Düfte zu entschlüsseln undstellten sie synthetisch her. Dies ist auchder Grund, warum es heute in einem 30er JahreKlinkerbau des Unternehmens Miltitz Aromaticsim Chemiepark Bitterfeld-Wolfen so riecht,wie in einer Pariser Parfümerie im 18. Jahrhundert.

Süßer Kirschgeruch hängt in den Gängen desGebäudes in der Luft. "Die Nase ist noch heuteunser wichtigstes Werkzeug", sagt FirmenchefMüller. Der Chemiker arbeitete in der DDRim Chemischen Werk Miltitz bei Leipzig. Nachder Wende machte er sich mit seinem KollegenJürgen Braband und Heinz Grau selbstständig."Wir sind Experten für Riechstoffe. In Bitterfeldgab es gute Fachleute, die wussten, wie Großchemiefunktioniert." Eine harmonische Kombinationentstand.

Wer heute Chanel No. 5 kauft, hat immer auchein Stück Bitterfeld zu Hause. Einen wichtigenGrundstoff für das Parfüm von Coco Chanelproduziert der kleine Mittelständler. "Wirsind in der Lage, Top-Noten zu liefern, diejedes Parfüm benötigt." 60 Prozent der Produktewerden in insgesamt 27Länder exportiert.Und nicht nur Parfümeure, sondern auch Waschmittelherstellersetzen auf die Riechstoffe. So kommt aus derBitterfelder Chemieküche der sogenannte "Ambra-Riechstoff".Dies ist ein krankhaftes Ausscheideproduktvon Walen. Doch Müller und sein Team könnenden Stoff nachbauen. In chemischen Reaktorenwerden verschiedene Grundstoffe durch Katalysatorenneu zusammengesetzt. "Katalysatoren sind inder Chemie eine Art Zaubermittel, die ganzverschiedene Stoffe zusammenbringen können",so Müller. Die Riechstoffe aus den Kesselnund Kolonnen von Miltitz Aromatics sind lautFirmenchef von höchster Qualität - zu 99,8Prozent rein. Eine gleichbleibende Qualitätsei wichtig für Parfüms, die aus 30 bis 70Komponenten bestehen. Ändert sich eine Komponente,verändert sich das gesamte Produkt.

Als Geschäftsführer ist Müller viel bei Kundenin Paris, New York oder Hamburg unterwegs."Es ist nicht einfach, als Lieferant aufgenommenzu werden", sagt er. Habe man es aber einmalgeschafft, verliefe die Abnahme sehr stabil.

Neben den Riechstoffen produziert die Firmaauch Aromastoffe für Nahrungsmittelhersteller.Dass der Bananen-Joghurt nach Banane schmecktund die Pizza nach Tomate, liegt nicht unbedingtan den Früchten. Es sind vielmehr die Aromastoffe,die den Geschmack geben. Und dieser entstehtin der Nase. "Viele denken immer noch irrtümlich,wir schmecken mit der Zunge", so Müller. Inwelchen Produkten überall die BitterfelderAromastoffe sind, darüber schweigt Müller.Die Lebensmittel-Hersteller wünschen Diskretion.Böse Zungen behaupten: Ohne zusätzliche Aromastoffewürden viele Tiefkühlpizzen so schmecken wieihre Verpackung.

Bei Miltitz Aromatics arbeiten gut ein Viertelder 43 Mitarbeiter daran, die Produkte zuverbessern und neue zu erforschen. Einen neuenRiech- oder Aromastoff auf den Markt zu bringen,ist nach Worten von Müller jedoch schwierig."Allein die Zulassung eines Stoffs kostetrund 300000 Euro." So müssten zahlreicheHaut- und Allergietests durchgeführt werden.Dies sei ein enormer Kraftakt.

Müller konzentriert sich vor allem darauf,Spezialitäten herzustellen. VerflüssigteRosen, Maiglöckchen, Flieder, Moschus, edleHolzgerüche werden in Fässern oder Kannenauch an viele große Riechstoff-Herstellergeliefert. Davon würden beide Seiten profitieren.Von dem Massengeschäft verabschiedet sichMiltitz Aromatics dagegen zunehmend. Genauwie Jean-Baptiste Grenouille in Süskinds Buchsetzt auch Müller auf besondere Düfte. Dankder modernen Chemie ist Müllers Repertoireallerdings ungleich größer.