1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Mannesmann-Prozess: Mannesmann-Prozess: Angeklagte müssen 5,8 Millionen Euro Strafe zahlen

Mannesmann-Prozess Mannesmann-Prozess: Angeklagte müssen 5,8 Millionen Euro Strafe zahlen

29.11.2006, 08:37

Düsseldorf/dpa. - Im spektakulärsten deutschenWirtschaftsstrafverfahren gibt es kein Urteil: Der Prozess um riesigeAbfindungssummen für das Management bei der Übernahme von Mannesmanndurch Vodafone wurde am Mittwoch vom Düsseldorfer Landgericht gegenmillionenschwere Geldauflagen eingestellt. Deutsche-Bank-Chef JosefAckermann und die übrigen fünf Angeklagten müssen wie erwartetinsgesamt 5,8 Millionen Euro zahlen. Das Gericht widersprach demVorwurf, sie würden sich damit freikaufen. Die Manager undGewerkschafter mussten sich wegen schwerer Untreue oder Beihilfe dazuverantworten, weil sie im Zuge der Übernahme von Mannesmann durch denbritischen Mobilfunkkonzern Vodafone im Jahr 2000 an der Ausschüttungvon 57 Millionen Euro Prämien und Pensionen beteiligt waren.

Ackermann muss mit 3,2 Millionen Euro den größten Teil der Summebezahlen. Sein Verteidiger Klaus Volk sagte, das zu Unrechtaufgenommene Verfahren sei damit «auf verträgliche Weise» beendetworden. Auf die Chance eines Freispruchs habe die Verteidigungverzichtet, weil sich das Verfahren dann weitere Monate hingezogenhätte. Volk kritisierte den Bundesgerichtshof (BGH), der dieFreisprüche der ersten Instanz aufgehoben hatte: Er habe den Eindruckgewonnen, die BGH-Juristen lebten «in einer Parallelwelt».

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank dankte Ackermann für seineBereitschaft, durch die Zahlung des Geldbetrags aus eigener Taschedas Ende des Prozesses ermöglicht zu haben. Aufsichtsratschef ClemensBörsig sagte, Ackermann könne nun «mit voller Kraft den erfolgreichenKurs der Deutschen Bank» weiterführen.

Der Vorsitzende Richter Stefan Drees begründete denEinstellungsbeschluss damit, dass die Vorgänge mehr als sechs Jahrezurückliegen und das öffentliche Interesse an einer Fortführung desProzesses durch die Geldauflagen beseitigt werden könne. Die nochoffenen rechtlichen Fragen seien unwesentlich, ihre Klärung sei«innerhalb eines überschaubaren Zeitraums» nicht möglich. DieVerteidiger hatten die Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153ader Strafprozessordnung am vergangenen Freitag beantragt,Staatsanwaltschaft und Angeklagte hatten zugestimmt.

Dem Gericht sei bewusst, dass die Höhe der Auflagen nicht dieBeträge erreiche, die Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser und dem Ex-Aufsichtsratsvorsitzenden Joachim Funk zugeflossen seien.Andererseits habe der neue Eigentümer von Mannesmann, der britischeMobilfunkkonzern Vodafone, die Zahlungen gebilligt.

«Die Höhe der dem Angeklagten Dr. Ackermann auferlegten Zahlungmag gemessen an seinen außerordentlich guten Einkommensverhältnissenals gering erscheinen», räumte Richter Drees ein. Jedoch müsseberücksichtigt werden, dass die Geldstrafe im Falle einerVerurteilung maximal 3,6 Millionen Euro betragen hätte. Ackermannhatte sein gesamtes Jahreseinkommen beim Prozessauftakt auf bis zu 20Millionen Euro beziffert.

Esser muss 1,5 Millionen Euro, Funk eine Million Euro und Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel 60 000 Euro zahlen. Für Ex-BetriebsratschefJürgen Ladberg legte das Gericht 12 500 und für den Manager DietmarDroste 30 000 Euro fest. 60 Prozent des Geldes sollen an dieStaatskasse, die übrigen 40 Prozent an gemeinnützige Einrichtungenfließen.

Staatsanwaltschaft und Gericht betonten, dass die Einstellunggegen Geldauflagen kein «Freikaufen» sei. Im Jahr 2003 seien vondeutschen Gerichten 126 000 Verfahren gegen Auflagen eingestelltworden. Dies belege, dass der Paragraf 153a «keine Vorschrift ist,die Reiche begünstigt».

Die bereits dritte Auflage des Mannesmann-Prozesses hatte EndeOktober vor dem Düsseldorfer Landgericht begonnen. Beim erstenProzess 2004 hatte das Landgericht alle Angeklagten freigesprochen.Der Bundesgerichtshof hatte die Freisprüche vor knapp einem Jahraufgehoben und den «objektiven Tatbestand der Untreue» erfülltgesehen. Der Fall war an das Landgericht zurückverwiesen worden.

Die deutsche Wirtschaft hat aus dem Mannesmann-Prozess nachAnsicht von Aktionärsschützern bereits längst Konsequenzen gezogen.«Die Vorstandverträge sind heute so gestaltet, dass solche Zahlungenauf einer vertraglichen Grundlage basieren», sagte der Sprecher derDeutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Jürgen Kurz.Die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlungen in Millionenhöhe seifür die Deutsche Bank und deren Aktionäre eine gute Nachricht. DasBild Ackermanns mit dem Victory-Zeichen werde allerdings nicht soschnell verblassen.

Der Banken-Experte Professor Wolfgang Gerke sieht ein gewachsenesPflichtbewusstsein der Aufsichtsräte: «Ackermann konnte damals nochbehaupten, er habe im guten Glauben gehandelt. Das könnenAufsichtsratsmitglieder künftig nicht mehr in Anspruch nehmen.»

Kritik kam aus der Bundespolitik. Grüne und Linksfraktionkritisierten die Einstellung, aber auch die CSU-Landesgruppe und dieGewerkschaft der Polizei (GdP) sahen das Rechtsgefühl der Bürgerdurch den «Deal» zwischen Verteidigern und Staatsanwälten in Gefahr.