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Letzte "Wetten dass..?"-Sendung Letzte "Wetten dass..?"-Sendung: Wetten das war's

Von Steffen Könau 13.12.2014, 11:01
Bei der ZDF-Show «Wetten, dass..?» am 29.01.2000 in Leipzig blasen Schausielerin Hannolore Hoger (l-r), Fußball-Idol Franz Beckenbauer, Topmodel Naomi Campbell, Microsoft-Gründer Bill Gates und Moderator Thomas Gottschalk die Kerzen auf einer Geburtstagstorte für den DFB aus.
Bei der ZDF-Show «Wetten, dass..?» am 29.01.2000 in Leipzig blasen Schausielerin Hannolore Hoger (l-r), Fußball-Idol Franz Beckenbauer, Topmodel Naomi Campbell, Microsoft-Gründer Bill Gates und Moderator Thomas Gottschalk die Kerzen auf einer Geburtstagstorte für den DFB aus. dpa Lizenz

Halle (Saale) - Ehe es losging, ist es immer richtig losgegangen. Zehn Minuten noch, bis die vom Engländer Mike Batt komponierte „Wetten, dass?.?.??“-Titelmelodie auf den Sender geht und die Kameralampen grün leuchten. Jetzt entscheidet sich alles, ruft Thomas Gottschalk, der federnden Schrittes aus der Kulisse stürmt.

Applaus in der Messehalle, Gottschalk rudert beruhigend mit den Armen. Lächeln, hier eine Dame herzen, dort einen Fotowunsch erfüllen. „Wir müssen noch etwas üben“, sagt der Mann, der die größte deutsche Fernsehshow mit ein paar kurzen Unterbrechungen von 1987 bis 2011 moderiert hat. Wenn nämlich alle winken, gleich, „wo wir zusammen auf Sendung sind, dann sieht das ganz fürchterlich aus für die armen Leute, die sich das zu Hause anschauen müssen“. Thomas Gottschalk will das gern vorher weg haben: „Wer also winken will, bitte jetzt!“

Gottschalk als Gottvater und Kumpeltyp

Die Massen in den Messehallen im Land sind dem großen Blonden mit dem breiten Lächeln immer gern gefolgt, schmuck gemacht für den Ausflug ins Scheinwerferlicht und geduldig aufgereiht auf Hühnerstangensitzen. Gottschalk, der „Wetten, dass?.?.?.“ von Gründervater Frank Elstner übernommen hatte, war Gottvater und Kumpeltyp zugleich. „Wetten, dass?.?.?.“ war der große Sieg des kleinsten gemeinsamen Nenners, die Verabredung, dass feuchte Bussis und sanfte Zoten ein paarmal im Jahr wichtiger sein dürfen als der ganze Welthunger, die Kriege und der Steuerstreit. Tommy, ein drolliger Dompteur in Brokatweste, Lederhose, Backenbart und Lockenmähne, schaltete sein Lächeln in drei Stunden Show nicht einmal ab.

Samuel Koch schwer verunglückt

Das geschah erst, als er an jenem Februarabend vor drei Jahren seinen endgültigen Abschied bekanntgab. Zwei Monate zuvor war der Wettkandidat Samuel Koch in der Show schwer verunglückt, die Sendung hatte abgebrochen werden müssen. Koch, ein 23-Jähriger, der in Sprungfederstiefeln über ein fahrendes Auto hatte springen wollen, blieb gelähmt. Und gelähmt blieb von nun an auch das wie in den frühen Tagen des Zwei-Sender-TV umherreisende Fernseh-Lagerfeuer der Nation.

Warum sich die Krise schon lange angedeutet hat, lesen Sie auf Seite 2.

Die Krise hatte sich schon lange angedeutet. Über Jahre hinweg bröckelten die Einschaltquoten. Schauten Mitte der 80er Jahre noch mehr als 23 der damals 61 Millionen Westdeutschen zu, waren es 20 Jahre später nur noch neun Millionen der inzwischen auf 80 Millionen gewachsenen potenziellen Zuschauergemeinde in Ost und West. Irgendwo zwischen Gottschalks Rückkehr nach dem freudlosen Ausflug mit dem früheren „Kessel-Buntes“-Moderator Wolfgang Lippert und dem Start der sogenannten Sommerausgaben aus der Stierkampfarena in Palma de Mallorca Ende der 90er ging der Zauber der Mischung aus sinnfreien Höchstleistungen und inhaltsleeren Gesprächen verloren. Immer weniger Menschen hatten Lust, wunderlichen Zeitgenossen zuzuschauen, die an Batterien leckten, um Spannungen zu schmecken, mit Bulldozern über Eier fuhren und es nach Jahren verschärftem Training endlich schafften, 150 verschiedene Kaffeekannendeckel mit verbundenen Augen der richtigen Kanne zuzuordnen.

Atemlose Präsentationsveranstaltung

„Wetten, dass?.?.?.“ wird zur atemlosen Präsentationsveranstaltung von Schauspielern mit neuen Filmen, Sängern mit neuen Platten und Fernsehkollegen mit neuen Rollen. Aus dem steten Kommen und gelegentlichen Gehen von Sportlern, Sängern, Schauspielern und Spaßmachern, unterbrochen von knappen Drei-Satz-Interviews und kümmerlichen Zoten, komponiert ein 350-köpfiges Team dennoch weiter Fernsehunterhaltung für die ganze Familie: Tokio Hotel und Robbie Williams singen hier, Gérard Depardieu und Armin Rohde reißen Possen, Enrique Iglesias schmachtet die Damen an und die Herren schmachten Shakiras kurzem Rock hinterher. Ein großes Karussell, auf dem in 214 Aufführungen häufig dieselben Gäste sitzen. Peter Maffay nimmt 17 Mal auf dem Sofa Platz, Udo Jürgens 15 Mal, Herbert Grönemeyer 14 Mal und Iris Berben elf Mal.

Wenn „Wetten, dass . . ?“ die Mutter aller Fernsehshows ist, dann war Thomas Gottschalk ihr Vater. Das wird klar, als der Südtiroler Dampfplauderer Markus Lanz das Steuer des schlingernden Showboots übernimmt. Lanz ist 20 Jahre jünger als Gottschalk, die Sendung aber wird mit ihm noch hüftsteifer.

Wo Gottschalk es schaffte, Stars wie der Engländerin Leona Lewis in einem Sekundeninterview das Geständnis zu entlocken, sie stamme tatsächlich aus London, klebt der Nachfolger so sehr an seinen Moderationskarten, dass ihn das Angebot der bis dahin bewegungslos wie ein Plüschkissen neben ihm lagernden Schauspielerin Megan Fox, sie doch mal zu küssen, völlig aus dem Konzept bringt.

Warum Lanz die Sendung nicht retten konnte, lesen Sie auf Seite 3.

Lanz aber hätte die Sendung auch nicht retten können, wäre er Gottschalks jüngerer Doppelgänger gewesen. Die Welt rund um den in besten Zeiten so unschlagbar erfolgreichen Fernsehzirkus der gegenseitigen Gefälligkeiten ändert sich. Vorbei die Tage, als Tina Turner, Michael Jackson oder Bryan Adams einfach ein bisschen zum Playback durch die gute Stube hampeln und sich am Montag darauf über einen Nummer 1-Hit freuen können. Vorbei auch die Zeit, als eine Sarah Connor ohne Unterhose, ein pöbelnder Götz George oder ein betrunkener Udo Lindenberg die Republik für Tage in Aufregung versetzen.

Die Konsens-Diktatur, live hergestellt in gesichtslosen Mehrzweckhallen von einem stets unsichtbaren Heer an Kulissenschiebern, Scheinwerfer-Kanonieren und Mikrofonträgern in schwarzen T-Shirts, Knopf im Ohr, Konzentration im Blick, büßt mit jeder Wiederholung mehr von ihrer Magie. ein Wurde auch die Zahl der Abendgäste von fünf auf zuletzt bis zu 15 hochgefahren - Frank Elstners Geheimrezept mit den vier Zutaten Sex und Spaß und Spannung und Geschwätz zieht nicht mehr. Zeiten, in denen selbsternannte Prominente im Dschungel Maden essen und Freizeitsänger als „Superstars“ auf Quotenjagd gehen, verlangen offenbar nach einer anderen Art von Unterhaltung.

Es ist vorbei, vorüber, aus. Kein Hofhalten der Moderatoren mehr für handverlesene Gäste aus der Gastgeberstadt am Nachmittag vor dem Gastspiel. Keine Städte mehr, die ihre halbe Verwaltung in Wochenend-Bereitschaft versetzen, um einen Sieg in der bis zuletzt hochgeheimen Stadtwette herbeiorganisieren zu können. Der letzte Höhepunkt naht, das letzte Aufgebot steht parat. Noch einmal treten Dauergäste wie Til Schweiger, Jan Josef Liefers, Otto Waalkes, Michael „Bully“ Herbig, Wladimir Klitschko und Katarina Witt an, um mit Helene Fischer, den Fantastischen Vier und Unheilig knuffige Kurzdialoge über neue Filme, Alben und Tourneen zu führen. Zwischendurch wird ein Blinder puzzeln, Cheerleader aus Elmshorn gehen einander, so das ZDF, „an die Wäsche“, und der siebenjährige Paul Altmaier aus Rheinhessen will sich von Freiwilligen küssen lassen. Wie an Strippen gezogen twird das Produktionsballett aus Regieassistenten, Kameraleuten und Strippenhaltern dazu ein letztes Mal im Rhythmus von 5 000 aneinanderpatschenden Händen tanzen. Wetten, dann war’s das?

„Wetten, dass?.?.?.?“ läuft am Sonnabend ab 20.15 im ZDF

Die "Wetten, dass..?"-Moderatoren (l-r) Frank Elstner, Wolfgang Lippert, Thomas Gottschalk und Markus Lanz
Die "Wetten, dass..?"-Moderatoren (l-r) Frank Elstner, Wolfgang Lippert, Thomas Gottschalk und Markus Lanz
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Moderator Markus Lanz.
Moderator Markus Lanz.
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