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Lerntipps Lerntipps: Salamitaktik hilft gegen Aufschieberitis

Von Nele Breitenstein 21.02.2011, 07:11
Daddeln statt lernen: So lenken sich viele Studenten von der Arbeit ab. Das kann sich bei der Prüfung rächen. (FOTO: Franziska Koark/DPA)
Daddeln statt lernen: So lenken sich viele Studenten von der Arbeit ab. Das kann sich bei der Prüfung rächen. (FOTO: Franziska Koark/DPA) dpa-tmn

Münster/Berlin/dpa. - Viele Studenten dürften das kennen: DiePrüfung rückt näher, doch nichts geht voran. Statt zu lernen, spülensie lieber Geschirr ab, schreiben E-Mails, surfen auf Facebook herum.Kurz vor dem Klausurtermin setzt die Panik ein und zwingt einen zuchaotischen Nachtschichten. Prokrastination heißt dieses Phänomen inder Fachsprache. Dagegen hilft es, beim Lernen in kleinen Schrittenvorzugehen. Denn mit einer Salamitaktik lässt sich der innereSchweinehund am besten überlisten.

Es klingt vielleicht nach einem Luxusproblem, wenn Studenten ihreZeit vertändeln. Für Betroffene ist es das aber keineswegs, wie Prof.Fred Rist von der Uni Münster beobachtet hat. «Viele leiden erheblichunter ihrem Aufschiebeverhalten», sagt der Psychologie, der sich seitJahren mit dem Thema befasst.

Chronisches Aufschieben kann der Studienkarriere schaden: Abgabetermine werden versäumt, oder der Bücherberg wächst, bis ernicht mehr zu bewältigen ist. Die Folge: Studenten haben permanentein schlechtes Gewissen und sind unzufrieden mit sich selbst. «Darauskann sich eine Depression entwickeln», sagt Rist. Um Betroffenen zuhelfen, hat er 2009 an der Uni Münster eine Spezialambulanz fürProkrastinationsfälle eingerichtet. Dort lernen Studenten, sichrealistische Ziele zu stecken, pünktlich anzufangen und ihreArbeitszeit effizient zu nutzen.

Auch der Psychologe Hans-Werner Rückert kennt das Problem gut. Erleitet die psychologische Beratungsstelle für Studenten an der FUBerlin und hat ein Buch zum Thema geschrieben. «Viele Menschen habentiefer sitzende Probleme, die zu einem Aufschieben führen», sagt er.Das könne eine verkappte Depression sein, übertriebenerPerfektionismus oder Angst vor der Beurteilung durch andere. KleineTricks können dabei helfen, das Problem besser in den Griff zubekommen. Hier ist eine Übersicht:

REFLEKTIEREN: Im ersten Schritt müssen Aufschieber ihr Problemerkennen. Dazu sollten sie sich laut Hans-Werner Rückert die Fragenstellen: Warum schiebe ich auf? Was befürchte ich? Was wünsche ichmir? Außerdem sollten Studenten sich überlegen, ob ihnen ein Zielwirklich wichtig ist. Unter Umständen kann es besser sein, eine Sacheaufzugeben, statt sie jahrelang mit sich herumzuschleppen und sichdamit zu quälen. Rückert empfiehlt, sich schriftlich mit diesenPunkten auseinanderzusetzen.

MOTIVIEREN: «Ein Mensch tut nur dann etwas, wenn es zu 70 Prozentmit positiven Gefühlen verbunden ist», erklärt Rückert. Der Gedanke«Ich muss lernen» bringt niemanden weiter. Studenten sollten sichvielmehr «Ich will lernen» sagen und sich vor Augen halten, was ihreGründe dafür sind. Außerdem dürfen sie nicht zu viel von sichverlangen. «Man sollte nicht an jedem Tag 100 Prozent Leistung vonsich erwarten», sagt der Studentencoach Martin Krengel aus Berlin,der sich mit dem Thema Zeitmanagement befasst. «Auch 20 ProzentFortschritt sind besser als nichts.»

PLANEN: Der Berg an Arbeit ist einfach zu groß? Dann muss man ihnin Etappen überwinden. Dazu sollten Studenten eine Aufgabe in kleineSchritte zerlegen, empfiehlt Rückert. Diese schreiben sie sich ambesten auf. Oder sie malen sie auf große Bögen Packpapier und hängendiese an die Wand. So kann man immer wieder an den Plan herantretenund einen Schritt abhaken. Solche kleinen Erfolge helfen, dennächsten Schritt anzugehen.

VERBILDLICHEN: Es hilft beim Planen, sich die Arbeit genau vor deminneren Auge vorzustellen, rät Prof. Rist. So könnten Studenten sichsagen: «Ich stehe morgen um neun Uhr auf, gehe ich in die Küche,schalte die Kaffeemaschine ein, trinke eine Tasse, setze ich mich anmeinen Schreibtisch, nehme meine gelben Textmarker in die Hand,schlage die Seite 35 des Buches auf und lese bis zur Seite 50.» Jekonkreter man sich das vorstellt, desto eher setzt man es auchwirklich in die Tat um.

ABSCHIRMEN: Während der Lernzeit stellen Studenten ihr Handy ambesten auf lautlos, rät Martin Krengel. Sinnvoll sei es auch denWLAN-Empfang des Laptops zum Surfen im Internet abzuschalten und sichin die hinterste Ecke der Bibliothek zu verkriechen. Denn: «Jedekleine Störung kann einen komplexen Gedankengang abreißen lassen.»

BEGRENZEN: Oft nimmt man sich vor, acht oder neun Stunden zuarbeiten - schafft dann aber doch nur eine. Wem es so geht, dersollte seine Arbeitszeit von Anfang an auf diese eine Stundebegrenzen, empfiehlt Prof. Rist. Erst wenn er es schafft, dieseStunde effektiv zu nutzen, darf er die Arbeitszeit in den nächstenTagen erhöhen - jedes Mal maximal um 20 Prozent. So entsteht dasGefühl, dass Arbeitszeit etwas Kostbares ist, das man nutzen möchte.

AUSTRICKSEN: Wer sich partout nicht zum Lernen aufraffen kann,sollte sich nur zehn Minuten Arbeitszeit vornehmen - mit der Option,danach aufhören zu dürfen. «Meistens arbeitet man dann doch länger,weil die erste Hemmschwelle überwunden ist», sagt Krengel.