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Leppersdorf in Sachsen Leppersdorf in Sachsen: «Wir ziehen das durch»

Von Antonie Städter und Heike Riedel 03.06.2008, 20:04

Leppersdorf/Weißenfels/MZ. - Unermüdlich rattert ein Notstromaggregat vor der Kulisse von Europas größter Molkerei, Sachsenmilch in Leppersdorf bei Dresden. Mit dem Strom werden Mobiltelefone aufgeladen. Ohne sie geht in diesen turbulenten Tagen nichts. Auch bei Birgit Meurer klingelt es unermüdlich. Die Betriebsleiterin des Hofs Pfaffendorf im Kreis Anhalt-Bitterfeld hat sich dem Protest der Milchbauern vor der zur Unternehmensgruppe Müller gehörenden Molkerei angeschlossen, um für höhere Milchpreise zu demonstrieren. Am Sonntag ist sie mit zwei Kollegen angereist - "und mit zwei Schleppern".

Nacht im Zelt

Zwei unter vielen: Laut Polizei versperren an diesem Dienstag 85 Traktoren und Lastwagen den Weg zur Molkerei, die Protestierer sprechen von 120. Die Bauern haben eine Gasse zum Werk frei gelassen, damit Rettungswagen Zufahrt haben - für Tanklastzüge reicht das nicht. Die Kampfansage der Landwirte ist klar. "Wir bleiben hier, bis eine Lösung gefunden ist, mit der wir leben können", heißt es hier überall. "Wir ziehen das durch", sagt Jacob Aalberts aus Mecklenburg-Vorpommern. Er kritisiert die "mangelnde Bereitschaft der sächsischen Bauern" zum Protest. Sie sind in Leppersdorf die Minderheit. Sogar aus Polen und den Niederlanden sind Landwirte vor Ort. Die Bauern haben sich in der Mittagshitze einen Platz im Schatten gesucht. Viele haben die vorige Nacht unter freiem Himmel geschlafen, manche in Zelten.

Die Hilfsbereitschaft der Leppersdorfer ist groß: Eine Familie stellt in ihrem Garten einen zur Dusche umfunktionierten Gartenschlauch zur Verfügung - daneben ein Zettel mit der Aufschrift "Weiter so, Jungs". Der Bäcker im Ort legt Sonderschichten ein, um der Nachfrage nach Semmeln, wie man hier sagt, Herr zu werden. Am Montagabend habe gar eine Kapelle für sie gespielt, so Meurer. "Das sind Sachen, die einen überwältigen."

Lkw bleibt leer

"Wir haben produziert, aber wir können nicht ausliefern", sagt indes Henner Schumann, Betriebsleiter des Frischli-Milchwerks in Weißenfels, einem Lkw-Fahrer, der eine Ladung für Berlin abholen möchte. Seit Montag 18 Uhr blockieren Landwirte aus Sachsen-Anhalt und Sachsen mit großen Fahrzeugen die Tore. Es kommt keine Milch mehr rein und kein Produkt mehr raus. Etliche der 125 Mitarbeiter des Milchwerkes sind deswegen nach Hause geschickt worden. Die anderen verarbeiten die letzte Milch und lagern die Produktion im Kühlhaus ein. Wie lange soll die Blockade dauern? "Bis unsere Milch gerecht bezahlt wird", sagt Ehrenfried Kühn. "43 Cent fordern wir, unter 40 Cent darf der Milchpreis nicht fallen." Der Mann, der in seiner Milchviehwirtschaft 150 Kühe stehen hat, ist aus der Wittenberger Gegend nach Weißenfels gekommen.

"Wir setzen auf Gespräche, um eine Lösung zu erreichen", sagt Dieter Gorzki, Chef des Frischli-Milchwerkes Weißenfels. Er stellt sich mehrfach Gesprächen vor dem Betrieb. "Wir können diese Preise nicht zahlen", sagt er den Landwirten. Am frühen Nachmittag geben die Landwirte dann die Tore wieder frei. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter hat zu einem Stopp der Blockaden geraten - mit einer Ausnahme: Leppersdorf. Also ziehen die Bauern, die den Protest nicht aufgeben wollen, von Weißenfels weiter in den sächsischen Ort. Dort wird am Abend mit der Polizei und Vertretern von Müller diskutiert. Per Flugblatt hatte die Geschäftsführung von Sachsenmilch mitgeteilt, das das Unternehmen durch die Blockade tagtäglich Verluste von mindestens eineinhalb Millionen Euro erleide.

Am Nachmittag hatte Sachsens Polizeipräsident Bernd Merbitz eine Eskalation bei der Blockade der Molkerei befürchtet. Landwirt Aalberts sagt indes am Abend: "Hier ist alles ruhig." Und fügt hinzu: "Wir bleiben hier."