Landwirtschaft Landwirtschaft: Krumme Gurken dürfen wieder in gerade Kisten

Brüssel/dpa. - Sie gilt als das Symbol für Brüsseler Bürokratieschlechthin: Die EU-Norm zum Krümmungsgrad der Gurke. Maximal 10Millimeter auf 10 Zentimeter, mehr durfte es bislang in Europa nichtsein. Damit soll von nächstem Juli an Schluss sein. Die EuropäischeUnion hat beschlossen, die Normungen für 26 Obst- und Gemüsesortenabzuschaffen, vom Spargel bis zur Haselnuss. Ein entsprechenderVorschlag von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel stieß amMittwoch in Brüssel im zuständigen Ausschuss zwar auf dieGegenstimmen von 16 Mitgliedstaaten. Das war entsprechend denSpielregeln aber nicht genug, um die Kommission zu überstimmen.
Abgeschafft werden sollen die Standards beispielsweise auch fürAuberginen, Bohnen, Spargel, Karotten, Zucchini, Knoblauch, Avocadosund Pflaumen. Die Normen waren ursprünglich eingeführt worden, damitin standardisierte Gemüsekisten jeweils die gleiche Mengehineinpasst.
Fischer Boel kann die Vermarktungsnormen nun außer Kraft setzen.«Dies bedeutet einen Neuanfang für die krumme Gurke und die knorrigeKarotte», sagte sie. Prompt jedoch warnte der Deutsche Bauernverbandvor «Wühltischen» beim Selbstbedienungsverkauf im Supermarkt. «Dasist reine Symbolpolitik», schimpfte Willi Kampmann von der BrüsselerVerbandsvertretung.
Deutschland stimmte im Verwaltungsausschuss für die Abschaffungder Standards, anders als die großen Produzentenländer wieFrankreich, Spanien, Polen oder Belgien. Der damalige AgrarministerHorst Seehofer (CSU) hatte sich bereits zu Beginn der deutschenEU-Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2007 für den Schrittstark gemacht, um auf EU-Ebene Bürokratie abzubauen. «Ich bin wiemein Vorgänger Horst Seehofer auch der Überzeugung, dass solcheHandelsnormen nicht durch den Staat, sondern durch die Wirtschaftgetroffen werden sollen», sagte Agrarministerin Ilse Aigner (CSU).
Der Bauernverband kritisierte den Wegfall der Vermarktungsnormendagegen scharf. Damit würden die bestehenden Vorteile klarerQualitäts- und Güteeigenschaften sowie deren Etikettierung ebenso wiedas staatliche Kontrollsystem ausgehöhlt. Es drohe eine Vielzahlunterschiedlicher Privathandelsnormen, die für Verwirrung sorgenwürden. «Da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet», warnteKampmann. «Im Moment weiß der Händler, was er einkauft, und derKäufer weiß, was er bekommt.»
Dagegen argumentiert Fischer Boel, es mache in Zeiten hoher Preiseund steigender Nachfrage nach Lebensmitteln keinen Sinn, Produktewegzuwerfen oder zu vernichten, «nur weil sie "die falsche Form"haben». Es sei nicht die Aufgabe der EU, solche Dinge zu regulieren,sondern das müsse der Markt leisten. Bürokratieabbau ist eines derwichtigsten Vorhaben der Kommission unter Präsident José ManuelBarroso, die noch bis kommenden Herbst im Amt ist. Fischer Boelsprach von einem «konkreten Beispiel für unsere Bemühungen».
Für zehn Früchte sollen die Standards bleiben, darunter Erdbeeren,Äpfel, Tomaten, Zitrusfrüchte und Weintrauben. Sie machen gut 75Prozent des EU-Handelswerts aus. In der Praxis bedeutet dasallerdings, dass auch ein Apfel, der nicht der Norm entspricht,verkauft werden kann. Er muss aber entsprechend gekennzeichnet sein.Für alle Sorten bleiben außerdem Mindeststandards gegen Schäden oderVerunreinigungen bestehen.