Landwirtschaft Landwirtschaft: Hirten in Sorge
zörnitz/MZ. - Kein Weihnachts-Gottesdienst ohne Krippenspiel. In der Weihnachtsgeschichte werden die Hirten von einem Engel aufgesucht, der ihnen mitteilt, dass in Betlehem der Heiland geboren worden ist. Die Hirten sind die ersten an Jesus Krippe. Auch in Deutschland waren Schäfer Jahrhunderte lang fast in jedem Ort zu finden. Doch die Frauen und Männer mit Filzhut und Mantel sind in Sachsen-Anhalt immer seltener anzutreffen. "Denn die Haltung von Schafen rechnet sich kaum noch", sagt Dirk Papendieck. Der 41-Jährige ist seit 26 Jahren Schäfer und Vorsitzender des Landesschafzuchtverbandes.
Derzeit hat Papendieck, Mitinhaber des Landgutes Brehnau in Schochwitz (Saalekreis), alle Hände voll zu tun. Papendieck und sein Mitarbeiter Paul Hedel sind im Stall und beaufsichtigen das Gebären der Lämmern. "Von November bis Weihnachten ist rund um die Uhr immer jemand bei den Tieren", sagt der Schäfer. 600 Mutterschafe besitzt der Betrieb - jedes Jahr kommen etwa 750 Lämmer zur Welt. "Von dem Verkauf der Jungtiere leben wir", so Papendieck. Zwar würden die Schafe auch geschoren, die Wolle spiele aber praktisch keine wirtschaftliche Rolle mehr. Nach Worten von Papendieck hat sich der Preis für ein Lamm zwar in den vergangenen Jahren leicht erhöht. "Wir können dennoch froh sein, wenn am Ende eine schwarze Null steht." Viele Schäfer in Sachen-Anhalt würden Verluste schreiben.Dieses Urteil bestätigt auch eine Studie der Landesämter für Landwirtschaft in den fünf neuen Bundesländern. "Etliche Schäfereien sind in einer wirtschaftlich schwierigen Situation", heißt es dort. "Im Schnitt wurde im Wirtschaftsjahr 2009 / 10 ein Einkommen von 21 700 Euro pro Arbeitskraft erwirtschaftet", erklärt Martin Herold von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. Es gebe hier zwar größere Schwankungen zwischen einzelnen Betrieben. Im Vergleich zu anderen Höfen, die etwa nur Ackerbau betreiben, konnten Schäfer aber nur die Hälfte der Erträge pro Hektar erzielen. Ohne staatliche Zuschüsse - vor allem die EU-Beihilfen - wäre die Schafzucht in Deutschland längst verschwunden. 63 Prozent ihrer Erträge erhalten Schäfer laut Studie aus öffentlichen Kassen.
Vor allem billige Lamm-Importe aus Australien und Neuseeland setzen den Bauern zu. Gut die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Lammfleiches wird importiert. Nach Worten von Papendieck hat dies in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass gerade größere Agrarbetriebe den Teilbereich Schafe aufgegeben haben. Insgesamt gab es in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr noch 187 Höfe mit Schafzucht - Tendenz sinkend.
An ein Aufgeben denkt Papendieck, dessen Frau ein Wellness-Studio betreibt, selbst allerdings nicht. "Ich habe einen wunderschönen Beruf." Von April bis Oktober sei er die meiste Zeit des Tages mit seinen beiden Hunden Fee und Burche auf der Weide. "Mit der Schafhaltung betreiben wir die Pflege von sensiblen Landschaften." So würden die Tiere etwa im Saaletal bei Wettin auf den Muschelkalkhängen weiden. "Ich genieße es, mit den Tieren an der frischen Luft zu sein", erklärt der Landwirt. Vor einigen Jahren habe er in einer Schweinemast-Anlage gearbeitet, doch dies sei nichts für ihn gewesen. "Massentierhaltung, die nur darauf ausgerichtet ist, dass die Tiere schnell fett werden, brauche ich nicht." Papendieck ist durchaus bewusst, dass einige Tierschützer das Schlachten von Lämmern auch nicht gutheißen. Doch insgesamt würden Schäfer ein gutes Ansehen besitzen. So seien viele Wanderer an der Saale stets an einem Plausch mit ihm interessiert. Dies sei die romantische Seite der Arbeit.
Doch es gibt auch die knallhart wirtschaftliche. Denn für das Weideland müssen die Schäfer Pacht bezahlen. Waren früher viele Landeigentümer froh, dass ihre Wiesen abgegrast werden, gibt es heute lukrative Alternativen. "Die Schafzucht steht zunehmend in Konkurrenz zur Bioenergie", erklärt Papendieck. Denn auch die Betreiber von Biogas-Anlagen hätten großes Interesse an Grünflächen.
Wird der deutsche Schäfer also bald von der Bildfläche verschwinden? "Es werden sicher noch weniger werden", glaubt Papendieck. Doch eine Landwirtschaft ohne Hirten kann er sich nicht vorstellen. "Uns gibt es schon sehr lange, und es wird uns noch lange geben."