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Landwirtschaft Landwirtschaft: Boykott der Milchbauern lässt Edeka kalt

28.05.2008, 11:20
Die Kühlregale eines Rewe-Marktes in Potsdam sind am Mittwoch gut mit Milch gefüllt. (Foto: dpa)
Die Kühlregale eines Rewe-Marktes in Potsdam sind am Mittwoch gut mit Milch gefüllt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - «Wir gehen davon aus, auch in den kommendenTagen die Versorgung flächendeckend sicherstellen zu können», sagte Edeka-Sprecher Alexander Lüders am Mittwoch in Hamburg. Die Molkereien könnten ihre Lieferverträge derzeit alle noch einhalten. Dabei beteiligten sich in einigen Regionen nach Angaben der Milchindustrie bis zu 60 Prozent der Milchproduzenten an dem Boykott. Während ausländische Kollegen, Politiker und Verbände den Milchbauernihre Solidarität erklärten, kam vom der privaten Milchwirtschaft unddem OECD-Agrardirektor deutliche Kritik.

Am zweiten Tag des Protests schlossen sich nach Verbandsangabenweitere Bauern dem Boykott an. In der Folge sei bundesweit mehrals die Hälfte der üblichen Menge nicht angeliefert worden, teilteder Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) mit. Mittlerweilegebe es keine nennenswerten regionalen Unterschiede mehr. Am erstenTag des Lieferstopps war noch ein deutliches Nord-Süd-Gefällebeobachtet worden. Während im Norden fast die übliche Mengeangeliefert wurde, waren es in Südbayern bis zu 60 Prozent wenigerals sonst, wie der Sprecher des Milchindustrieverbands, MichaelBrandl, berichtete.

Versorgungsengpässe sind laut Brandl dennoch nicht zu befürchten:«Wir haben derzeit genügend Milch auf dem Markt, wir müssen nur denregionalen Ausgleich schaffen.» Auch die großen Handelsketten REWEund Edeka berichteten von keinerlei Problemen. «Es gibt keineNotwendigkeit, Hamsterkäufe zu machen», unterstrich der Einkaufschefder REWE, Vorstand Manfred Esser. Die Verbraucher fänden derzeit mitSicherheit volle Regale vor. Dies gelte trotz verstärkter Nachfragean einzelnen Orten auch für Deutschlands größtenLebensmitteleinzelhändler, sagte Edeka-Sprecher Lüders.

Kritik ernteten die Bauern von OECD-Agrardirektor StefanTangermann. «Es ist zu keinem Zeitpunkt akzeptabel, Nahrungsmittel zuvernichten», sagte Tangermann der Deutschen Presse-Agentur dpa inParis. «In die heutige Zeit aber passt es besonders wenig - in einerSituation der Knappheit.» Er griff auch Bundesagrarminister HorstSeehofer (CSU) an. «Es ist mitnichten so, dass sämtlicheMilchproduzenten zu den heutigen Preisen nicht überleben können unddeshalb übermorgen bei uns die Produktion wegbricht», sagteTangermann. «Wenn man dann als verantwortlicher Agrar-Politiker nochso tut, als sei die Katastrophe nahe und man könne ihr entgehen, wennman Milch vernichtet, dann halte ich das für nicht hilfreich.»

Der Direktor für Agrar und Handel bei der Organisation fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) glaubt nicht aneinen Erfolg des Boykotts. Auch der Verband der privatenMilchwirtschaft erwartet nicht, dass die Milchbauern durch denLieferstopp höhere Erzeugerpreise erzwingen können. «Die Verträgezwischen den Molkereien und dem Handel sind für die nächsten sechsMonate abgeschlossen und lassen sich nicht mehr aufbrechen», sagteGeschäftsführerin Susanne Nüssel. «Die Molkereien haben Verständnisfür die Bauern, ein Boykott ist aber das falsche Mittel.» Dergeforderte Milchpreis von 43 Cent pro Liter sei nicht marktgerecht.

Solidaritätsbekundungen erhielten die Bauern nach Angaben desBDM hingegen von Kollegen aus anderen EU-Ländern. So hätten dieMilchbauernverbände mehrerer Nachbarstaaten ihre Unterstützungzugesagt. Nach Angaben des Milchindustrieverbands kann jedoch voneiner flächendeckenden Aktivität keine Rede sein. Allerdings rief derdänische Verband der Milchproduzenten zu einer Solidaritätsaktionauf. Es liege im gemeinsamen Interesse, die Preise wieder in die Höhezu bringen, sagte Verbandschef Peder Mouritzen in der Zeitung«Jyllands-Posten». Als Möglichkeit nannte er einen dänischenExportstopp für Deutschland.

Unterdessen streiten Politiker um eine mögliche Lösung derMilchkrise. Seehofer lehnte die von der FDP geforderten Finanzhilfenfür Bauern ab. Die Liberalen hatten vorgeschlagen, die Öko-Steuer unddie Steuer auf Agrardiesel für Traktoren zu senken. Seehofer betonte,statt Steuersenkungen müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden,die gezielt das Überleben der Milchbauern sicherten. Zugleichkritisierte er die von der EU-Kommission geplante Anhebung derMilchquote, da dies weiteren Druck auf die Preise ausüben würde.

Seit Dienstag machen Bauern ihrer Wut über zu niedrige Milchpreisemit einem Lieferboykott Luft. Sie bekommen derzeit je nach Regionzwischen 27 und 35 Cent je Liter Milch, fordern aber mindestens 40Cent.