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Landwirtschaft Landwirtschaft: Bauern blockieren mit Traktoren größte Molkerei in Thüringen

01.06.2008, 16:45
Mehr als 100 Milchbauern aus Thüringen, Bayern und Hessen blockieren am Sonntag sämtliche Zufahrten zur Milchwerke Thüringen GmbH in Erfurt. (Foto: dpa)
Mehr als 100 Milchbauern aus Thüringen, Bayern und Hessen blockieren am Sonntag sämtliche Zufahrten zur Milchwerke Thüringen GmbH in Erfurt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Erfurt/dpa. - Nach Angaben des Verbandes DeutscherMilchviehhalter vom Sonntag blockierten seit Samstagabend Landwirte aus Bayern, Hessen und Thüringen den Betrieb. Der Geschäftsführende Vorstand der Humana Milchunion, zu der die Molkerei gehört, sprach von Anarchie. «Ich appelliere dringend an die Politik, endlich tätig zu werden», sagte Albert Große Frie. Unterdessen könnte sich der Lieferstreik der Milchbauern in Thüringen in dieser Woche ausweiten: Der Landesbauernverband will am Montag über das weitere Vorgehen beraten.

Ein Ende des Protests vor der Erfurter Molkerei war am Sonntagnicht abzusehen. «Wir blockieren hier so lange, bis man mit unsverhandelt», sagte Landwirt Jürgen Schäfer aus Hessen. Die Bauern fordern einen Auszahlungspreis von 43 Cent je Kilogramm Milch. Ihnen wurden zuletzt etwa 30 bis 35 Cent gezahlt. Aus Protest traten amvergangenen Dienstag bundesweit tausende Milchbauern in den Streik.

Der Schaden könnte nach Angaben der Molkerei in die Millionengehen. Täglich werden normalerweise rund 1,2 Millionen KilogrammMilch verarbeitet. Nach Angaben von Aufsichtsrat Robert Scheringerzahlen die Molkereien auf dem freien Markt wegen des bundesweitenBoykotts bereits 45 Cent je Kilogramm. «Also ist unsere Milch mehrGeld wert», sagte der Chef der Agrarprodukte Großfahner (KreisGotha), wo täglich 11 800 Kilogramm Milch gemolken werden. Schuld ander Misere sei der Einzelhandel mit seiner Preisdrückerei.

«Ich bin mit den Bauern immer gesprächsbereit», sagte Humana-ChefGroße Frie. «Ich kann aber nicht an allen zehn Produktionsstandortengleichzeitig sein.» Am Sonntagabend sollte es ein Gespräch zwischenBauern und dem Verband der Milchindustrie in Berlin geben. DieLandwirte haben Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel aufgefordert,ihre bisherigen Verträge aufzulösen und neu zu verhandeln. Laut GroßeFrie sperrt sich aber der Handel bislang dagegen.

Der Thüringer Bauernverband hatte in der vergangenen Woche denMolkereien und dem Einzelhandel ein Ultimatum bis Montag gesetzt.Sollten sie bis dahin nicht bereit sein, höhere Preise zu zahlen,werden die Milchbauern ihre Lieferungen stoppen, hieß es in einerMitteilung. Daher könnte der Lieferstreik im Freistaat in dieserWoche eskalieren. Bisher hatten sich nach Angaben des VerbandesDeutscher Milchviehhalter nur etwa 50 der 630 Milchviehbetriebe inThüringen an dem Lieferboykott beteiligt.

Der Milchviehhalter-Verband rechnet daher mit einer massivenAusweitung des Streiks in dieser Woche. «Es ist uns ernst, denn esgeht um unsere Existenz», sagte Tom Kuhnert, Mitglied im Beirat desVerbandes, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. DerLieferstreik werde so lange dauern, bis ein «fairer Milchpreis»gezahlt werde. «Da gibt es keinen Weg mehr dran vorbei.»

Unterstützung erhielten die Landwirte am Sonntag von der ParteiDie Linke und der SPD. «Nahrungsmittel in den Gully zu schütten isteine Katastrophe, aber für die Bauern ist es Notwehr», sagte der Vizeder Linke-Bundestagsfraktion, Bodo Ramelow. Laut einem Bericht derZeitung «Neues Deutschland» (Montagsausgabe) bot der Fraktionschefder Linken, Gregor Gysi, den Bauern in Erfurt rechtlichen Beistandan. Aus Sicht der SPD-Landtagsabgeordneten Dagmar Becker haben dieniedrigen Milchpreise fatale Folgen für die Situation auf dem Land.Es bestehe die Gefahr, dass sich dort die Einkommenssituation weiterverschlechtere und die Kaufkraft sinke, sagte sie.