Konjunktur Konjunktur: Deutsche Wirtschaft mit überraschend robustem Wachstum
Wiesbaden/dpa. - Nach einem Endspurt hat das Bruttoinlandsprodukt(BIP) im vergangenen Jahr um 2,7 statt der bisher berechneten 2,5Prozent zugelegt - das war der stärkste Zuwachs seit dem Boomjahr2000. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden revidierte am Dienstagvor allem wegen der hervorragenden Exporte gegen Jahresende seinErgebnis nach oben.
Damit hat die deutsche Wirtschaft in Europa aufgeholt und liegtgenau im Schnitt der Euro-Zone, die ebenfalls 2,7 Prozent Wachstumerzielte. Ökonomen hoben wegen der guten Daten ihre Prognosen für daslaufende Jahr an. Laut Stimmungsbarometer wird die Konjunktur imzweiten Halbjahr wieder an Fahrt gewinnen.
Die Mehrwertsteuererhöhung hat nach Einschätzung der Bundesbankdas Wirtschaftswachstum zum Jahresbeginn gedämpft und wird imGesamtjahr 0,75 Prozentpunkte kosten. «Die ursprünglich erwartetenEffekte auf die Konjunktur und die Preise sind schon weitgehendeingetreten», sagte Bundesbankpräsident Axel Weber der dpa inFrankfurt. «Der öffentliche Eindruck ist falsch, dass die Steuer kaumEinfluss auf die Preisentwicklung hatte.» Nach der Anhebung derMehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent zum 1. Januar sei es aber nichtzu den befürchteten drastischen Preissteigerungen gekommen. «DerAufschwung wird sich fortsetzen, wenn auch auf einem zunächst etwasgedämpfterem Niveau. Dabei bleibt das "Auf" erhalten, und der"Schwung" geht vorübergehend etwas verloren», sagte Weber.
Nicht nur der Export, sondern auch das Inland trug 2006 mehr zumWachstum bei als zunächst von den Statistikern berechnet. Die Firmeninvestierten mehr, die Industrie expandierte schneller und dieBauindustrie arbeitete sich rascher aus der Krise als erwartet. ZumJahresende belebte sich der Konsum wegen vorgezogener Käufe vor derMehrwertsteuererhöhung. Die Wirtschaft nahm noch einmal kräftig Fahrtauf und wuchs im vierten Quartal 2006 um 0,9 Prozent gegenüber demVorquartal.
Die Bundesregierung traut der Wirtschaft in diesem Jahr mindestens1,7 Prozent Wachstum zu. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU)wertete die gute konjunkturelle Entwicklung als Zeichen dafür, dassder Standort Deutschland «hervorragend aufgestellt» sei. «Wir werdenden eingeschlagenen Weg weitergehen.» Einige Großbanken und Institutesehen für 2007 sogar eine Zwei vor dem Komma.
Auch Europas Wirtschaft hat im vergangenen Jahr besserabgeschnitten als zunächst erwartet. In der Euro-Zone war dasWachstum mit 2,7 Prozent um 0,1 Punkte höher als von der EU-Kommission erwartet. Im vierten Quartal wuchs die Wirtschaft im Euro-Raum gegenüber dem Vorquartal um 0,9 Prozent. Die französischeWirtschaft, die lange Zeit Europas Konjunkturlokomotive war, legtenur um 2,0 Prozent zu.
Trotz der Mehrwertsteuererhöhung schätzen Finanzexperten dieKonjunkturentwicklung in Deutschland vor allem im zweiten Halbjahrpositiv ein. Das Stimmungsbarometer des Zentrums für EuropäischeWirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim kletterte im Februar imVergleich zum Vormonat um 6,5 Punkte und liegt nun bei 2,9 Punkten.Auch nach dem dritten Anstieg in Folge liegt der monatliche ZEW-Indikator allerdings immer noch weit unter seinem historischenMittelwert von 33,3 Punkten.
Die Bundesbank und die Organisation für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verlangten angesichts der gutenkonjunkturellen Entwicklung von der Bundesregierung weitere Reformen.Der unerwartet starke Aufschwung biete politischen Spielraum, nötigeStrukturreformen entschlossen anzupacken, befand die OECD. Die großeKoalition solle die Sozialabgaben senken. Dazu könnten dieGesundheitsreform und die Straffung der Arbeitsmarktprogramme genutztwerden. Auch die Subventionen für die Wirtschaft müssten sinken,forderte die OECD.
