Konjunktur Konjunktur: Abwrackprämie für Fahrräder, BHs und Schulranzen

Berlin/dpa. - Jetzt haben dieMarketingexperten ein neues Lieblingswort entdeckt: Abwrackprämie. Esgibt sie längst nicht mehr nur für das Verschrotten des alten Autosund den Kauf eines neuen. Auch bei Möbeln, Kleidung, Kosmetik oderElektronik wird jetzt kräftig abgewrackt. Sprachwissenschaftlerrechnen gar damit, dass es die Abwrackprämie zum «Wort des Jahres»bringen könnte. Doch eigentlich ist es nur ein Werbe-Gag.
Wer beim Kauf eines neuen Anzugs seinen alten mitbringt, bekommtvon einem Berliner Herrenausstatter großzügige Rabatte. Ein großerElektronikhersteller bietet 400 Euro Prämie, wenn man seinen altenProjektor einschickt. Eine Schuhreparatur-Firma tauscht an 1000Sammelstellen getragene Schuhe und Textilien gegen Einkaufsgutscheineein. Ein anderer Händler bietet 15 Euro Abwrackprämie aufSchulranzen. «So kann das Modell des Vorjahrs mit langweiligemBlümchenmuster zu günstigem Preis gegen einen top-aktuellen Ranzenausgetauscht werden», wirbt das Geschäft.
Sogar Fußball-Fans können sich dem Abwrack-Wahn nicht entziehen.Beim UEFA-Cup-Spiel zwischen Werder Bremen und dem AS St. EtienneMitte März versprach ein Unternehmen aus Bremen auf der Bandenwerbungdes Weser-Stadions eine Abwrackprämie für Gabelstapler - wie beiAutos in Höhe von 2500 Euro.
«Dass die Händler solche Offensiven machen, ist nichtverwunderlich», sagt Ulrich Kamecke, Professor für Wettbewerbspolitikan der Berliner Humboldt-Universität. Wie sie genannt werden, sei oftZufall, abhängig von Moden. Das Wort «Abwrackprämie» habe aber beiden Kunden ein positives Image.
«Das Wort wird mittlerweile inflationär gebraucht», stellt MichaelKleinaltenkamp, Marketing-Experte an der FU Berlin, fest. «Jetzt istdas hip, weil jeder etwas damit verbindet, aber im Sommer redet davonkeiner mehr.» Als Grund für die Begeisterung über das Wort nenntKleinaltenkamp den Erfolg der Idee. «Mit einem kleinen Betrag bringtman die Leute dazu, einen wesentlich größeren Betrag auszugeben.» DasWort errege Aufmerksamkeit, die Voraussetzung für wirksame Werbung.Letztlich seien alle Abwrack-Aktionen jedoch nur eine Form desRabattes.
Für den Frankfurter Sprachwissenschaftler und Erfinder des «Unwortdes Jahres», Horst Dieter Schlosser, steht bereits fest: DieAbwrackprämie hat beste Chancen, zum «Wort des Jahres» zu werden. «Esist klar und knapp und beschreibt genau das, was Sache ist: dieBelohnung für das Abwracken eines alten Autos.» Der Ansturm auf diePrämie ist gewaltig: Bislang gingen schon mehr als eine MillionAnträge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa)ein. Bei diesem Erfolg ist es kein Wunder, dass auch viele andereBranchen gerne in den Genuss einer staatlichen Förderung kommenwürden.
So fordert das Handwerk eine Umweltprämie für Nutzfahrzeuge, derStädte- und Gemeindebund für alte Schulmöbel. Die Heizungsherstellerwollen das Abwracken auch für alte Wärmespender, die Holzwirtschaftin Baden-Württemberg für alte Ölheizkessel. Die IG Metall forderteGeld für energiesparende Kühlschränke. Und der VerkehrsclubDeutschland (VCD) bekam Ärger mit der Bafa, als er im Internet dazuaufrief, auch für alte Fahrräder Anträge auf Abwrackprämie zustellen.
Viele Politiker sehen die Abwrackprämie für Autos und das imGrundsatz beschlossene Aufstocken der Förderung über die vorgesehen1,5 Milliarden Euro hinaus inzwischen kritisch. «Auch "Schiesser" istin großen Schwierigkeiten», gab dieser Tage der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle zu bedenken. «Sollen wir noch eineAbwrackprämie für Unterwäsche einführen?» Tatsächlich gibt es sieschon - in Potsdam. Dort wirbt ein Wäschegeschäft mit einerAbwrackprämie für Büstenhalter: «Beim Kauf eines neuen BH erhaltenSie das Unterteil gratis.»