Konflikt um Tibet Konflikt um Tibet: Dialog-Angebot nimmt Peking in die Pflicht
Halle/MZ. - China hat sich für dieses Jahr besonders herausgeputzt. So wie noch jedes Land, das die Olympischen Spiele ausgerichtet hat. Das "Reich der Mitte" will zeigen, dass es zu Recht als die Supermacht des 21. Jahrhunderts angesehen wird. Dazu passten die hässlichen Bilder der Gewalt aus Tibet nicht. Aber China, trotz aller wirtschaftlichen Öffnung noch immer ein autoritär regiertes Land, hatte und hat kein Mittel, die Berichterstattung zu stoppen.
Der Olympia-Fackellauf verkam zum Spießrutenlauf. Weder strikte Polizeieinsätze noch bestellte "Jubel-Chinesen" konnten verhindern, dass weltweit über die Unterdrückung Tibets statt über chinesische Erfolge berichtet und diskutiert wurde. Ein Desaster für ein Land, in dem nichts schlimmer ist, als "sein Gesicht zu verlieren".
Chinas Regierung hat deshalb mit ihrem Gesprächsangebot an den Dalai Lama tatsächlich einen großen Schritt getan. Selbst wenn dahinter zunächst nur die Absicht stehen sollte, vor den Olympischen Spielen den weiteren Ansehensverlust zu stoppen. China beweist damit mehr Souveränität als durch das strikte Absperren der tibetischen Grenzen für jeden Ausländer. Das Öffnen der Grenze wäre deshalb nur der zweite, folgerichtige Schritt.
Inhalt, Form und vor allem Ergebnis der Gespräche über Tibet sind gleichwohl noch offen. Es ist durchaus möglich, dass Peking versucht, sich über den Sommer medial zu retten, und hofft, dass das Thema spätestens im Herbst wieder in der Versenkung verschwindet. Darauf rechnen kann sie jedoch nicht. Das weltweite Interesse an der Frage wird Geheimgespräche kaum möglich machen, sondern Offenheit und Transparenz erzwingen.
Damit haben die weitgehend gewaltfreien Demonstrationen in aller Welt gegen die chinesische Tibetpolitik mehr erreicht, als sich vermutlich die aufständischen Tibeter jemals erhofft hatten. Jetzt wird sich erweisen, über welchen Einfluss der Dalai Lama in seinem Land noch verfügt. Ob seine Aussage, es gehe nicht um die Souveränität, sondern um weitgehende kulturelle Autonomie, von seinen Landsleuten geteilt wird.
Die weltweite Tibet-Begeisterung und Unterstützung hat viel mit der Anziehungskraft des Dalai Lama als spirituellem Führer zu tun. Chinesen und Tibeter wären gut beraten, aus den angekündigten Gesprächen mehr zu machen als aus früheren Treffen. Denn das "Fenster der Möglichkeiten" könnte sich rasch wieder schließen, wenn die Friedfertigen ohne Ergebnisse bleiben.
Kontakt zur Autorin:Sibylle Quenett