1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Kokosweberei: Kokosweberei: Kunden stehen reichlich auf der Matte

Kokosweberei Kokosweberei: Kunden stehen reichlich auf der Matte

Von Marina Michel 25.10.2004, 17:17

Olbersdorf/dpa. - Besucher der Kokosweberei von Mario Hilger in Olbersdorf bei Zittau kommen oft aus dem Staunen nicht heraus. Nicht nur über Herkunftsort und Verarbeitung des kratzigen Naturmaterials ist viel zu erfahren, man kann im ostsächsischen Betrieb auch hautnah miterleben, wie mit alter Technik produziert wird.

In der Manufaktur steht der Chef selbst an den Maschinen. Der Rohstoff, den er verarbeitet, stammt aus Indien. Dort werden die bis zu 40 Zentimeter langen Fasern von den harten Kokosnussschalen geschnitten, gewässert und versponnen. Hilger leitet die leicht zusammengedrehten Naturfasern mit Hilfe einer 100 Jahre alten Maschine auf Spulen. Dann können sie weiterverarbeitet werden, zum Beispiel zu Fußmatten. Hilger demonstriert mit flinken Fingern, wie auf einem kammartigen Webrahmen in 20 Minuten ein 40 mal 60 Zentimeter großer Fußabtreter entsteht.

Ganz allein ist Hilger nicht. Drei Mitarbeiter aus einer Behindertenwerkstatt sind für ihn tätig. Geschäftspartner ist zudem die Kokosweberei Schär KG bei Trier (Rheinland-Pfalz), die auf mechanischen Webmaschinen in Lohnfertigung Läufer für Hilger fertigt. 1 800 Kilogramm Kokos- und Sisalfasern werden an allen drei Standorten für die Firma Hilger jährlich verarbeitet. "Der Umsatz liegt bei etwa 50 000 Euro", sagt der 42-Jährige Textilfachmann.

Läufer, Teppiche und Matten aus Olbersdorf sind gefragt bei Raumausstattern sowie in Malerfach- und Teppichgeschäften besonders in Sachsen und im Raum Berlin. Aber auch die Heimatregion schätzt Hilgers Produkte. Neulich habe er ein Oberlausitzer Umgebindehaus ausgestattet. Gerade solche Maßanfertigungen seien es, mit denen er sich auf dem hart umkämpften Markt halten könne. Obwohl also viele Kunden auf der Matte stehen, sagt der Unternehmer: "Reich werden kann man bei dieser Tätigkeit nicht."

Kokosmatten werden in Olbersdorf seit 1957 hergestellt. Mit der Zwangsverstaatlichung 1972 kam die Firma zum VEB Fußmatten Pulsnitz / Ohorn. Wie alle Kokoswebereien im Osten wurde der Betrieb nach der Wende dicht gemacht. Da hatte der gelernte Frottierweber Mario Hilger gerade mal zwei Jahre als Meister gearbeitet. 64 Beschäftigte, meist Frauen, standen auf der Straße. Die Treuhand ließ alles räumen. Hilger rettete aus dem Chaos einige der altgedienten, robusten Maschinen. Nach schlaflosen Nächten entschloss er sich, den Betrieb zu kaufen.