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Kinder- und Jugendhilfe der Caritas Kinder- und Jugendhilfe der Caritas: Abreagieren beim Tischtennis

Von Kerstin Metze 16.02.2007, 16:38

Halle/MZ. - Der elfjährige Ronny reißt wortlos die Tür auf, vergräbt sein Gesicht tief in der Kapuze. Ohne das "Guten Tag" von Kerstin Masur zu erwidern, steuert er einen hellgelb gestrichenen, gemütlichen Raum in der Villa des Kinder- und Jugendhilfenetzwerkes Halle-Süd der Caritas in der halleschen Merseburger Straße an. Und lümmelt sich in einen Sessel. Ronny (alle Namen der Kinder verändert) ist angekommen in der Tagesgruppe. Er braucht und will erst einmal seine Ruhe.

So wie für Ronny bieten seit 1998 ein Dutzend Sozialarbeiter des Caritasverbandes benachteiligten Kindern ein flexibles Hilfe-Netzwerk an. Kerstin Masur, die Bereichsleiterin, verweist insbesondere auf die sozialpädagogische Einzelfallhilfe und die Tagesgruppe, die Ronny besucht. Es handelt sich dabei um ambulante Hilfen für Kinder aus dem Süden von Halle in Absprache mit dem Jugendamt und dem Allgemeinen Sozialen Dienst der Stadt.

Ohne Selbstwertgefühl

"Die Kinder und Jugendlichen, die in unserem Haus Hilfe erfahren, sind sechs, elf oder 17 Jahre alt und bereits verhaltensauffällig", sagt Angelika Mickley, die Leiterin der Caritas-Geschäftsstelle. Die Kinder verfügten kaum über ein Selbstwertgefühl, seien teilweise nicht gruppenfähig, träten aggressiv auf oder verweigerten sich der Schule. Viele Schützlinge stammten aus armen Familien. Häufig seien die Eltern mit der Erziehung überfordert. Die Caritas bietet den Kindern einen Schutzraum und ihren Eltern Familientherapien.

Als Anna 14 war, wurde ihre alleinerziehende Mutter, die mit noch drei weiteren Kindern auf der Silberhöhe lebt, einfach nicht mehr mit ihr fertig. Anna kam abends nicht nach Hause, war aufmüpfig, schwänzte den Unterricht. Der Allgemeine Soziale Dienst vermittelte Mutter und Tochter zum Hilfenetzwerk der Caritas. "Hier haben wir begonnen, das Kind in freiwilliger Einzelbetreuung 'aufzuschließen'", sagt Kerstin Masur. Dabei seien viele Hürden zu nehmen und mit dem Holzhammer gehe schon gar nichts. Die Kontaktzeiten würden verhandelt.

Zunächst müsse der passende Sozialarbeiter gefunden werden. Nicht jeder käme mit jedem zurecht; mancher brauche eine männliche, ältere Bezugsperson, ein anderer eine jugendliche Frau. Es gebe viele Gespräche, einzeln und natürlich auch mit den Eltern. Häufig würden die Kinder zu Hause mit Dingen betraut, die gar nicht ihre Aufgabe seien. "Es ist ganz wichtig, allen Beteiligten klar zu machen, wie wichtig es ist, Aufgaben gerecht zu verteilen und die wenige Zeit gemeinsam zu verbringen", sagt die Bereichsleiterin. Beispielsweise das gemeinsame Essen in der Familie sei so wertvoll, werde aber häufig nicht gepflegt. Die Sozialarbeiter halten auch Kontakt zu den Lehrern oder begleiten die Schützlinge etwa zu Sportvereinen oder Ämtern.

"Mancher kommt zu uns und will sich erst einmal beim Tischtennis abreagieren oder sich ausschweigen", sagt Kerstin Masur. Auch auf solche Befindlichkeiten oder "Lümmelpausen" gehe man ein.

Neun Mal erfolgreich

Die sozialpädagogische Einzelfallhilfe ist auf anderthalb Jahre angelegt. Jährlich werden etwa 40 Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren individuell betreut. "2006 sind 16 Einzelbetreuungen beendet worden, neun erfolgreich", resümiert Masur.

In die Tagesgruppe kommen jeden Tag nach der Schule acht Mädchen und Jungen zwischen sechs und zwölf Jahren. Bis 17.30 Uhr ist der Nachmittag klar strukturiert. Drei Sozialarbeiter kümmern sich um die Kinder, die aus sozial-schwachen Familien kommen und zum Teil erhebliche Verhaltensauffälligkeiten zeigen.

"Harmoniedienst"

Die individuelle Zuwendung ist ein großer Unterschied zum normalen Schulhort. Es gibt einen Ämterplan, und Sven ist ganz erpicht darauf, den "Harmoniedienst" übernehmen zu dürfen. Er schlichtet Streit. Den "Baddienst" macht Jeanne dagegen nur widerwillig, aber zum Einkaufen - da würden am liebsten alle Kinder mitgehen. Zunächst wird gemeinsam Mittag gegessen. Später ist Hausaufgaben- oder Spielezeit. Jedes Kind hat einen farbenfrohen Arbeitsplatz.

Im Moment sind Puzzles der Renner. "Doch am liebsten wollen unsere Kinder raus in den Park hinter unserem Haus", sagt Kerstin Masur. Leider sei das Gelände nur eingeschränkt nutzbar, bedauert Geschäftsstellen-Leiterin Angelika Mickley. "Uns fehlen die Mittel für die Instandsetzung des Zaunes ebenso wie für robuste, altersentsprechende Spielgeräte." Ein stabiles Klettergerüst und eine Basketballanlage - das wäre ein Segen für die Kinder.

Mehr im Internet:

www.caritasverband-Halle.de