Kaffee Kaffee: Unmut über Spekulanten

MAGDEBURG/MZ. - Jeden Morgen studiert Eike-Jens König in seinem Büro den aktuellen Kaffee-Report. Der Geschäftsführer des Kaffeeproduzenten "Röstfein" aus Magdeburg verfolgt genau, wie sich die Notierungen der wichtigen Kaffeesorten an der New Yorker und Londoner Rohstoffbörse entwickelt haben. Die Lektüre führt bei König zunehmend zu Unmut. "Seit Monaten kennen die Kurse nur eine Richtung - steil nach oben", sagt der 50-Jährige. Für Röstfein wird dies zum wirtschaftlichen Problem.
Der einzige, größere ostdeutsche Kaffeeröster mit einem Umsatz von rund 50 Millionen Euro könnte wegen der steigenden Rohstoffpreise in die roten Zahlen rutschen. Der Röstfein-Chef zeigt auf einem Blatt Papier den Kaffee-Chart. Im Mai 2010 kostete Rohkaffee an der Börse 1,35 US-Dollar je Pfund Donnerstag waren es 2,85 Dollar. Dies ist mehr als eine Verdoppelung. "An diesen Preisen orientieren sich unsere Händler", so König. 10 000 bis 12 000 Tonnen Kaffee pro Jahr bezieht Röstfein von Händlern über den Hamburger Hafen, die in der über 100 Jahre alten Kaffee-Manufaktur verarbeitet werden.
Die Folge der Rohstoffrallye: Für ihr Lieblingsgetränk müssen die Deutschen mehr zahlen. Den Anfang hat der Discounter Aldi mit seinen Eigenmarken gemacht. "Seit Jahresbeginn wurden die 500-Gramm-Packung in zwei Schritten um je 50 Cent von 2,49 Euro auf 3,49 Euro erhöht", sagt Matthias Queck vom Handelsinformationsdienst Planet Retail. Andere Händler würden sich an Aldi orientieren. So hätten auch Tchibo, Rewe, Edeka ihre Einstiegspreise für 500 Gramm gemahlenen Kaffee um 50 Cent erhöht. Der Mittelständler Röstfein will nun mit seinen Marken Rondo und Mona auch Preisanhebungen im Handel von zunächst 50 Cent durchsetzen. "Wir benötigen die Anhebung, um einigermaßen über die Runden zu kommen", sagt König. Etwa 80 Prozent der Kosten (ohne Steuern) bei einer Packung entfielen auf den Rohstoff.
Verantwortlich für die Preisentwicklung sind nach Ansicht von König Finanzspekulanten. "Früher bestimmten Regen, Dürren oder politische Unruhen die Notierungen. Heute sind es Hedge- und Pensionsfonds." Sie würden investieren, um aus Kursschwankungen Profite zu schlagen. Ein Interesse an dem Produkt an sich hätten sie nicht.
Zuletzt hatte der Nahrungsmittelkonzern Kraft Foods sogar den Staat zum Eingreifen aufgefordert. "Wir brauchen mehr Transparenz im Kaffeehandel. Ähnlich wie in den USA muss ein Gesetz auch bei uns dafür sorgen, dass Händler, die an den Börsen mit Lebensmitteln Geschäfte machen, eindeutig zu identifizieren sind", sagte der Chef des Kaffeegeschäfts von Kraft Foods in Europa, Hubert Weber. Außerdem müssten die Mengen der gehandelten Rohware begrenzt werden. "Kaffee ist seit einem halben Jahr eine der Top-Wetten der Finanzwelt geworden", sagt Weber. Zu Kraft gehört unter anderm die Marke Jacobs.
Wird der Markt von Spekulanten regiert? Laut Rohstoffexperten Leon Leschus vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut gewinnen die Finanzinvestoren an Bedeutung. "Wegen niedriger Zinsen etwa bei Staatspapieren werden die Rohstoffmärkte interessant", sagt Leschus. Es gebe aber kaum Informationen, wie hoch der Spekulationsanteil sei. Die Investoren würden allerdings nur reale Knappheiten ausnutzen. Grundsätzlich würden weiter das Volumen und die Qualität der Ernten über die Preise entscheiden. Und aktuell beeinträchtigt laut Carsten Fritsch, Analyst bei der Commerzbank, schlechtes Wetter etliche Kaffee-Exportländer. Schon in der Vergangenheit habe es große Preissprünge wie jetzt gegeben. Nach Angaben der International Coffee Organization in London liegt die weltweite Ernte 2010 bei 133,7 Millionen Sack, ein Plus von 8,6 Prozent zum Vorjahr. Im wichtigsten Anbauland Brasilien dürfte wegen Regen und des Erntezyklus die kommende Ernte schwächer ausfallen. Zudem weist Fritsch darauf hin, dass Kaffee nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ländern wie China immer beliebter wird. Das heißt: Die Nachfrage steigt.
Röstfein rechnet nicht damit, dass Kaffeebohnen kurzfristig billiger werden. König: "Die Verbraucher sollten sich auf langfristig höhere Kaffeepreise einstellen."