1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Johann Christian Senckenberg: Johann Christian Senckenberg: Mäzen der Wissenschaft starb auf dramatische Weise

Johann Christian Senckenberg Johann Christian Senckenberg: Mäzen der Wissenschaft starb auf dramatische Weise

Von Sandra Trauner 22.02.2007, 07:25
Besucher betrachten in Frankfurt/Main im Rahmen des Lichterfestes «Luminale» das bunt erleuchtete Senckenberg-Museum. (Foto: dpa)
Besucher betrachten in Frankfurt/Main im Rahmen des Lichterfestes «Luminale» das bunt erleuchtete Senckenberg-Museum. (Foto: dpa) dpa

Frankfurt/Main/dpa. - Dramatischer konnte der Tod eines Mäzensder Wissenschaft kaum sein: Als der Frankfurter Arzt Johann Christian Senckenberg im November 1772 die Baustelle des von ihm finanzierten«Anatomischen Theaters» besichtigte, fiel er vom Gerüst und starb anden Folgen eines Schädelbruchs. So wurde er selbst der erste Mensch,dessen Leiche im noch unfertigen Bau des Hörsaals fürLeichensektionen geöffnet wurde. Am 28. Februar vor 300 Jahren wurdeSenckenberg geboren.

«Senckenbergs Lebenswerk wirkt bis heute fort», berichtetSenckenberg-Biograf Thomas Bauer. Sein 223 Seiten starkes Bucherscheint am 26. Februar im Frankfurter Societäts-Verlag. EineVielzahl wissenschaftlicher Einrichtungen in Frankfurt sind entwederdirekt von Senckenberg gegründet oder später nach ihm benannt worden.Dazu zählen ein Krankenhaus, der Botanische Garten, dasNaturkundemuseum und die Universitäts-Bibliothek. Bauer findet: «FürFrankfurt ist Senckenberg bedeutender als Goethe.»

Der Dichter kannte den Arzt und schätzte ihn. In «Dichtung undWahrheit» spricht er mit Hochachtung von Senckenberg und äußerte«Ehrfurcht» für seine Stiftung. Goethe schildert den Arzt als «Mannvon großer Rechtschaffenheit», macht sich aber auch über dessenschwankenden Gang lustig, den Biograf Bauer mit einem Hüftleidenerklärt. Goethe fand eine poetischere Begründung: «Spottvögel sagen,er suche durch diesen abweichenden Schritt den abgeschiedenen Seelenaus dem Wege zu gehen, die ihn in gerader Linie wohl verfolgenmöchten.»

Senckenberg spürte als Arzt die Defizite der Medizin zu jener Zeitnicht nur in seiner täglichen Arbeit. Er erlitt sie auch in seinereigenen Familie: Drei Mal wurde er Witwer, seine beiden einzigenKinder starben kurz nach der Geburt. Im Nachhinein betrachtet müssteman fast sagen «zum Glück», denn so hatte er keine Erben undentschied sich 1763, sein gesamtes privates Vermögen in Höhe von95 000 Gulden in eine Stiftung zu stecken. Das Geld hatte ergrößtenteils von seiner ersten Frau geerbt, einer reichen Juweliers-Tochter. Im Stiftungsbrief nannte Senckenberg seine schwerenSchicksalsschläge, die «Ermangelung ehelicher Leibes-Erben» sowie dieLiebe «zu meinem Vaterland» als Beweggründe.

Mit dem Kapitalstock finanzierte Senckenberg zum einen einHospital, in dem Arme kostenlos behandelt wurden. Zwei Drittel desGeldes sollten zur «Förderung der Heilkunde» verwendet werden. Zudiesem Zweck gründete er eine ganze Reihe wissenschaftlicherForschungseinrichtungen, die bis heute bestehen: ein medizinischesInstitut, einen botanischen Garten, eine Bibliothek, einenaturhistorische Sammlung, ein chemisches Laboratorium undschließlich das Anatomische Theater, in dem er selbst den Tod fand.

Die Senckenbergischen Forschungsinstitute bildeten den Grundstockder 1914 gegründeten Frankfurter Universität. Dass die Hochschulenach Goethe und nicht nach Senckenberg benannt wurde, findet Bauerein bisschen ungerecht. In Frankfurt wird der Name Senckenberg ammeisten mit einer Institution in Verbindung gebracht, die nurmittelbar auf ihn zurückgeht: Das Senckenberg-Museum. Deutschlandsgrößtes Naturkundemuseum, das unter anderem die größtenDinosauriersammlung des Landes beherbergt, wurde erst nachträglichals Würdigung seiner Verdienste nach ihm benannt.

Dabei war der Arztsohn ein Spätzünder. Erst mit 23 begann er inHalle das Medizinstudium, das er dann gar nicht beenden konnte, weiler sich mit Kollegen in theologische Auseinandersetzungenverstrickte. Er war sehr religiös und stand dem Pietismus nahe. «Under war bestimmt kein einfacher Mensch», sagt Biograf Bauer. Dennochbetrauerte ganz Frankfurt seinen Tod und trug ihn mit Fackelschein zuGrabe.

Der Frankfurter Arzt und Naturforscher Johann Christoph Senckenberg (1707-1772) in einer zeitgenössischen Darstellung. Zum 300. Geburtstag von Senckenberg hat die Universität Frankfurt ein «Senckenberg-Jahr» ausgerufen. (Foto: dpa)
Der Frankfurter Arzt und Naturforscher Johann Christoph Senckenberg (1707-1772) in einer zeitgenössischen Darstellung. Zum 300. Geburtstag von Senckenberg hat die Universität Frankfurt ein «Senckenberg-Jahr» ausgerufen. (Foto: dpa)
dpa