Interview mit Michael Patrick Kelly Interview mit Michael Patrick Kelly: "Paddy" geht ohne die Family auf Tournee

Leipzig/Halle (Saale) - Paddy Kelly schrieb vor allem in den 90er Jahren mit der Kelly Family Musikgeschichte. Die Band spielte auf den größten Bühnen der Welt, verkaufte rund 200 Millionen Tonträger und wurde mit fast 50 Gold- und Platin-Awards ausgezeichnet.
Ab 2004 wurde es ruhig um den einstigen Mädchenschwarm Paddy. Er nahm sich eine Auszeit, lebte sechs Jahre im Kloster. Seit 2011 sieht man ihn wieder auf Konzerten in kleinerem Rahmen. Vor zwei Jahren heiratete der inzwischen 37-Jährige eine belgische Journalistin. Und vor knapp einer Woche erschien mit „Human“ unter dem Namen Michael Patrick Kelly das erste Solo-Studioalbum des drittjüngsten Kelly-Sprosses. Eine Tournee schließt sich an. Am 26. Mai um 20 Uhr ist Michael Patrick Kelly mit Band im Leipziger Gewandhaus zu erleben. Sylvia Pommert hat mit ihm gesprochen.
Die meisten kennen Sie noch als Paddy. Ist Michael Patrick Kelly jetzt ein anderer Mensch?
Kelly: Nein. Meine Freunde nennen mich nach wie vor Paddy. Und das wird auch immer mein Spitzname bleiben. Allerdings hat jetzt mit dem Album „Human“ ein neues Kapitel für mich begonnen. Wenn ich heute zurückschaue, würde ich mein Leben in drei Abschnitte aufteilen: Da ist die Zeit, in der ich in einer singenden Familie großgeworden bin. Es war ein Leben mit vielen Extremen. Wir haben auf der Straße angefangen zu singen und irgendwann Fußballstadien gefüllt. Ich bin in einem Wohnwagen in Dublin geboren und lebte mit 20 Jahren in einem Schloss. Das sind einfach unglaubliche Erfahrungen.
Und dann haben Sie sich zurückgezogen.
Kelly: Ja, das zweite Kapitel steht für die Auszeit, die ich mir genommen habe. Ich lebte als Bruder John Paul Mary sechs Jahre in einem katholischen Kloster in Frankreich, um für mich die wichtigsten Fragen zu klären: Wo komme ich her? Was mache ich hier? Wo geht es hin? Das dritte Kapitel schließlich ist ein Neuanfang. Und da hat es für mich einfach Sinn gemacht, zu meinem eigentlichen Namen zurückzukehren. Zu dem Namen, den mir meine Eltern gegeben haben. Und der – wenn ich einmal sterbe – auch auf meinem Grabstein stehen wird. Das Album zeigt mich so wie ich bin: authentisch, echt, ohne Retusche – und eben auch mit meinem tatsächlichen Namen.
Und Sie befürchten nicht, dass der „neue Name“ von Paddy-Fans übersehen werden könnte?
Kelly: Aus kommerzieller Sicht hätte ich wahrscheinlich bei Paddy bleiben sollen. Aber darum ging es mir nicht. Im Vordergrund steht für mich die Musik.
Für die Kelly Family haben Sie viele Hits geschrieben, zum Beispiel „An Angel“. Welche Musik machen Sie jetzt?
Kelly: „Human“ ist ein handgemachtes Pop-Album. Doch es gibt auch Folk-Elemente. Damit knüpfe ich an die Musik an, die ich als ganz junger Mensch gemacht habe. Das war irish und spanish Folkmusic. Einige der neuen Stücke haben auch einen rockigen Drive.
Welche Themen greifen Sie auf?
Kelly: Inhaltlich ging es mir darum, verschiedene Facetten der Menschlichkeit zu zeigen. „Little Giants“ zum Beispiel basiert auf wahren Geschichten. Es geht um Kinder und Jugendliche, die heldenhafte Dinge getan haben. In Notsituationen oder bei Katastrophen haben sie zum Teil ihr eigenes Leben geopfert, um andere zu retten. Und wenn jemand sein Leben gibt, um einem anderen das Leben zu schenken, dann ist das für mich Ausdruck größter Menschlichkeit. Aber es gibt auch die andere, die dunkle Seite im Menschen. „Renegade“, der Abtrünnige, ist kriminell. Doch irgendwann muss er feststellen, dass das Elend, das er verursacht hat, auf ihn zurückfällt. Für mich sind die beiden Songs die Pole, zwischen denen sich die anderen Titel bewegen. In denen geht es auch um Liebe, Verlust und die Suche nach Glück.
Wie viel eigenes Erleben spiegeln die Titel wider?
Kelly: Meine Songs basieren zum großen Teil auf eigenen Emotionen und Erfahrungen. Aber ich habe versucht, sie so zu schreiben, dass sich viele damit identifizieren können. Denn jeder Mensch ist doch zum Beispiel auf der Suche nach dem Glück. Und da rede ich nicht nur vom Glück in einer Beziehung. Glück hat weit mehr Facetten. Der eine ist glücklich im Beruf, der andere ist glücklich, wenn er seine Schulden los ist. Ich habe die Suche nach Glück im Song „Happiness“ verarbeitet.
Die Single „Shake Away“ kann man mittlerweile im Radio hören. Warum gerade diese Auskopplung?
Kelly: Es geht darin um Aufbruch, Freiheit und Rettung durch die Liebe. Ein gutes Thema für den Frühling, dachte ich. Diese Jahreszeit steht außerdem für den Neubeginn. Und damit hat der Titel auch für mich einen Symbolcharakter.
Legen Sie andere Maßstäbe an, wenn Sie Songs für sich selbst und nicht mehr für die Kelly Family schreiben? Sind Sie kritischer?
Kelly: Ich weiß es nicht wirklich. Ich glaube, es war und ist ein Prozess. Ich möchte einfach Musik machen, die nicht bei der Unterhaltung stehen bleibt, möchte bei anderen einen Nerv treffen oder ein Herz rühren. Wenn man als Musiker mehr schafft als abzulenken – natürlich gehören Spaß und Party auch zum Leben – aber wenn man es schafft, in die Tiefe zu gehen, dann ist man beglückt.
Was sagen Ihre Geschwister zum neuen Album?
Kelly: Sie gehörten zu den ersten, denen ich meine neuen Songs vorspielte. Also Maite war begeistert. Und Jimmy hat mich auf Facebook geliket und hat dann so etwas gesagt wie: „Nicht ganz so gut wie meine Musik, aber ich höre es mir an.“ Aus seinem Mund war das ein Riesenkompliment.
Wird es in Ihren Konzerten auch alte Kelly-Hits geben?
Kelly: Ja, das gehört dazu. Und mittlerweile sind so viele Jahre vergangen, dass ich diese Songs auch wieder gern singe. Es waren schließlich in gewisser Weise Meilensteine. Die Kelly-Klassiker, die ich geschrieben und gesungen habe, sind dabei. Und dann vielleicht noch ein paar Coversongs von meinen Lieblingsbands und -sängern. Bob Dylan zum Beispiel oder U2.
Wie gehen Sie mit der Vergangenheit als Teenie-Schwarm um?
Kelly: Gelassener. Damals war ich Kind und Teenager. Es war nicht einfach, so im Mittelpunkt zu stehen. Die Hysterie, die ich auch erlebte, konnte ich nicht verstehen. Doch Gott sei Dank hatte ich meine Familie. Teenies, die ganz allein im Showgeschäft stehen wie zum Beispiel Justin Bieber, haben es sicher schwerer. Heute überwiegen die positiven Erinnerungen. Ich habe sehr viel Gutes erfahren dürfen und dafür bin ich sehr dankbar.
Einige Ihrer Geschwister, zum Beispiel Kathy und Patricia, haben in letzter Zeit gemeinsame Konzerte gegeben. Wäre es denkbar, dass die Kelly Family eines Tages wieder zusammen auf der Bühne steht?
Kelly: Ja. Ich glaube, dass die meisten auch wirklich Lust hätten, mal wieder etwas mit der ganzen Sippe zu machen. Die Equals haben ja mal gesagt: „Eher friert die Hölle zu, als dass wir noch einmal zusammen spielen“. So weit muss es bei uns nicht kommen. Seltsamerweise hat sich die Family ja nie offiziell aufgelöst. Es gab kein wirkliches Ende. Und vielleicht kommt der Tag, wo man es schafft, just for Fun alle zusammenzukriegen. Wo alle sagen: Okay, machen wir eine fette Tour oder eine Platte. Das würde vielleicht uns und vielen Menschen Freude machen. Wer weiß?
Kelly-Fans werden jubeln. Doch bleiben wir bei Paddy: Seit einiger Zeit kennt man von Ihnen auch eine andere künstlerische Seite. Sie malen. Ihre Bilder hat man bereits in Ausstellungen sehen können. Wann haben Sie dieses Talent entdeckt?
Kelly: Angefangen hat es in den 90er Jahren. Zu einer Zeit also, als die Kelly Family auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war. Damals suchte ich nach einem Ventil, nach einer Möglichkeit, dem Unterbewussten in mir Ausdruck und eine Gestalt zu geben. Ich wollte etwas tun, was frei war von irgendwelchen Erwartungen, die andere an mich hatten. Keinen Song, kein Album, kein Video. Ich wollte eine Kunstform finden, in der ich mich ganz frei fühlte. So habe ich zu Hause spontan angefangen zu malen. Es kam ein Bild zum anderen.
Sind Sie der erste Maler der Kellys?
Kelly: Oh nein. Mein Großvater war Sign Painter. Man findet diese Art der Malerei in Irland zum Beispiel an den Decken der Pubs. Mein Vater hat das Kelly-Logo entworfen und den Doppeldeckerbus selbst bemalt. Vielleicht habe ich das auch in den Adern. Das Malen ist wie ein Spiel für mich und es gibt mir Ruhe. Es hat etwas Therapeutisches und es macht Spaß. Interessant ist ja, dass auch Leute meine Bilder mögen, die nichts mit meiner Musik zu tun haben: Kunstliebhaber. Das ist für mich ein schönes Feedback.
Sie sind auch sozial sehr engagiert, arbeiten als Botschafter für Caritas International. Was ist Ihnen hier im Moment wichtig?
Kelly: Ich war kürzlich in Äthiopien. Dort arbeite ich an einem Projekt mit, das rund 600 Menschen aus der Hungersnot hilft. Dabei geht es zunächst um eine stabile Wasserversorgung. Es werden Gemüse-Plantagen angelegt. Die Kinder können eine Schule besuchen. Es ist für mich unfassbar, wie viel man bewirken kann mit - in unseren Augen - wenig Geld. Den Hunger zu beseitigen, so weit es uns möglich ist, das ist etwas, was mir am Herzen liegt. Frieden zu stiften, Kriege zu verhindern ebenso. Aber das ist weit schwieriger. Da gibt es ein Projekt in Guinea Bissau, in das ich auch einbezogen bin.
Doch „sehr engagiert“ sind ganz andere. Ich treffe dort Menschen, die den Sinn ihres Lebens darin sehen, anderen zu helfen. Ich leiste nur einen kleinen Beitrag dazu. Und ich will mich damit nicht schmücken. Meine Eltern haben es vorgelebt. Sie haben sich immer, wenn Menschen in Not waren, engagiert. Und wenn man so groß wird, so erzogen wird, dann gehört es einfach dazu.
Karten gibt es bei TiM-Ticket unter Telefon 0345/2 02 97 71