Insolvenzverwalter Insolvenzverwalter: «Will noch ein paar Firmen retten»
Halle/Wolfen/MZ. - Blauer Himmel über Wolfen. Die Sonne strahlt auf den traditionsreichen Foto-Standort, auf dem nur langsam zarte Neuanfänge auf industriellen Brachen wachsen. Voriges Jahr musste hier Sachsen-Anhalts einziges börsennotiertes Unternehmen Pixelnet und deren Tochter Orwo Media Insolvenz anmelden.
Mit zu hohem Einsatz hatte sich die Firma beim Kauf der Photo-Porst-Kette verspekuliert. An eine Zukunft für den digitalen Fotodienstleister glaubte kaum noch jemand. Dennoch gelang die Rettung: Als der neue Geschäftsführer Journalisten seine zukünftige Strategie erklärte saß mitten in der Runde und doch etwas entrückt der Insolvenzverwalter Volkhard Frenzel - der Herr der Pleiten. Der 55-Jährige Rechtsanwalt mit schütterem Haar und Vollbart zieht gelassen an einer Zigarette. Der promovierte Jurist strukturierte über ein Jahr Orwo neu, musste die Hälfte der Beschäftigten entlassen und suchte Investoren. Er hat es geschafft, die Firma zu erhalten.
Frenzel gehört zu den renommiertesten Insolvenzverwaltern in Sachsen-Anhalt. Als "akkurat und akribisch" beschreibt sich der Anwalt. Kollegen schätzen ihn als "erfolgsorientiert und willensstark" ein. Eigenschaften, die er braucht. "Am Anfang steht immer die Frage: sanieren oder liquidieren", sagt er.
Oft kommt jede Hilfe zu spät. In den meisten Fällen sind Insolvenzverwalter nur noch als Bestattungsunternehmer tätig. Ein durchaus lukratives Geschäftsfeld: 40000 Firmenpleiten werden dieses Jahr in Deutschland gezählt. Ein düsterer Rekord. "Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Gläubigern die größtmöglichen Ansprüche zu sichern", beschreibt der Anwalt nüchtern seine Aufgabe. Das macht sie meist unbeliebt.
"Der Wille einen Standort wenn möglich zu erhalten, spürt man bei ihm aber immer", sagt Jürgen Brandt. Der pensionierte Manager wurde von Frenzel als Notarzt für überlebensfähige Patienten reaktiviert. Mit einem kleinen "Einsatzkommando" von bis zu 15 eigenen Mitarbeitern geht der Insolvenzverwalter zu Beginn in die Unternehmen. Buchprüfer, Steuerexperten, Personalfachleute durchleuchten innerhalb weniger Wochen die Betriebe. "In einigen Fällen denkst du: Hier musst du kämpfen", sagt Frenzel. Jeder Tag zählt. "Wichtige Mitarbeiter dürfen nicht weggehen, die Kunden müssen beruhigt und Banken bei Laune gehalten werden." Die Konkurrenz wartet schon auf das Ende. Wettbewerber nutzen oft mit bekundetem "Kaufinteresse" den Blick in die Bücher. Bei der Fenster- und Türenbau Berg GmbH aus Loburg (Landkreis Anhalt-Zerbst) gelang es ihm dennoch in diesem Jahr den Pleitegeier zu verscheuchen. Alle 250 Arbeitsplätze konnten nach dem Neustart gerettet werden.
Auch beim Metallverarbeiter Flanschenwerk Bebitz ist er nach eigenen Aussagen auf gutem Wege. Allerdings musste der Verwalter die Zahl der Angestellten von 200 auf 150 reduzieren. "Viele Mitarbeiter sorgen sich verständlicherweise um ihre Arbeit", sagt er und legt die Stirn in Falten. Die großen Hoffnungen und Erwartungen bereiten ihm manchmal schlaflose Nächte. Wenn sein dunkler Audi mit dem Kennzeichen "HAL-VF" auf den Firmenhof fährt, ist er der Chef. "Sanierungen müssen gut gemanagt werden, ich gehe ein hohes Risiko ein." Einige seiner Kollegen scheuen dieses. Frenzel nicht. "Er ist einer, der von hier kommt", erklärt sich eine Mitarbeiterin eines geretteten Betriebes seine Motivation. Frenzel strahlt Souveränität aus. Mit den Eitelkeiten früherer Geschäftsführer kommt der Anwalt zurecht. Nichts Menschliches sei ihm fremd. Der Wirtschaftsanwalt ist kein Aktenfresser. In der DDR verteidigte er vor allem Angeklagte in Mordfällen.
Der wohl spektakulärste Fall war der Kreuzworträtsel-Mord. In den 80er Jahren wurde eine Leiche in Halle in einem Koffer gefunden. Nur eine Zeitung mit ausgefülltem Kreuzworträtsel lag als Hinweis vor. Mit einer riesigen Schriftproben-Aktion gelang es damals der Polizei, den Täter zu überführen. Frenzel wurde als Verteidiger bestellt. Eine Schule fürs Leben. Von Sentimentalitäten lässt sich der Kettenraucher bei seinen Entscheidungen also sicher nicht leiten. "Fehlern gegenüber ist er unduldsam", berichtet ein Angestellter.
In der Kanzlei, die 60Beschäftigte hat, wirkt er wie ein Patriarch. Sein Schreibtisch ist aufgeräumt. Ein Familienfoto fehlt, schließlich arbeitet die Frau mit in der Firma. "Nur wenn der Beruf auch Hobby ist, kann man wirklich erfolgreich sein", glaubt er. Nur manchmal gönnt er sich einen Blick auf ein Segelbootbild hinter seinem Stuhl. Dann träumt der gebürtige Mecklenburger von einer Zeit ohne Arbeit - dem Lebensabend. "Bis dahin will ich noch ein paar Firmen retten", sagt Frenzel pflichtbewusst.