Industrie Industrie: Otto Wolff von Amerongen ist gestorben

Köln/dpa. - Woran er starb, wollte die Familie zunächst nicht mitteilen.
Als während des Kalten Krieges noch die meisten westdeutschenUnternehmer vor Geschäften mit den kommunistischen Ländern des Ostenszurückschreckten, knüpfte der rheinische Industrielle bereitsvielfältige Kontakte, auch zu Politikern. Dadurch entwickelte er sichschon in den 50er Jahren zu einem gefragten Ansprechpartner für dieAdenauer-Regierung. Sowohl an der Vorbereitung des ersten deutsch-sowjetischen Handelsvertrags als auch am Abschluss des erstenHandelsvertrags mit der Volksrepublik China war er beteiligt. In derPresse galt er damals bereits als «heimlicher Osthandelsminister»
1969 wurde Wolff Präsident des Deutschen Industrie- undHandelstages (DIHT) und blieb es nahezu 20 Jahre lang. Die Geschickedes Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft lenkte er fast einhalbes Jahrhundert lang, bis 2000. Ein Schwerpunkt galt den deutsch-russischen Beziehungen. Beim Sowjetpräsidenten Michail Gorbatschowbrachte ihm dies gar die Bezeichnung «ältester Pionier derArbeitsbrigade Deutschland/Sowjetunion» ein.
Als größten Erfolg, zu dem er beigetragen hatte, wertete Wolffselbst die Wiederherstellung der Osthandelsbeziehungen fürDeutschland vor und nach der Wende von 1989/90. Aber Wolff wurde auchals erster Deutscher in den Aufsichtsrat des US-Ölkonzerns Exxonberufen. Insgesamt gehörte er während seiner beruflichen Karriereetwa 40 Aufsichtsräten oder Beiräten an.
Ende der 80er Jahre bekam sein Ruf als Unternehmer aber auch einpaar Kratzer. Die 1983 von der Otto Wolff AG mehrheitlich übernommenePHB Weserhütt AG musste 1987 mit Verlusten von mehr als 200 MillionenDM Vergleich anmelden. Als weiterer Missgriff wurde Wolff der Kaufeines veralteten Stahlwerkes im US-Bundesstaat Texas vorgehalten, derdas Unternehmen 270 Millionen DM (rund 138 Millionen Euro) kostete.1990 übernahm die Düsseldorfer Thyssen AG 100 Prozent der Otto WolffAG. Ein wichtiger und richtiger Schritt, sagte Wolff.
Seine letzten Jahre wurden zudem von Enthüllungen über dieVerstrickungen seines Unternehmens während der Nazizeit überschattet.Das Unternehmen - das seit 1940 von ihm selbst geführt wurde - solldabei Aktien, Gold und andere Werte aus dem Vermögen deportierterJuden im Auftrag der Nazis verkauft haben. Von 1945 bis 1947 warWolff interniert.
Der Regisseur Gerhard Friedl beleuchtete 2006 in einem Kinofilmmit dem Titel «Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?»seine Rolle bei mehreren Firmenzusammenbrüchen. Die Dokumentationwurde unter anderem mit dem Deutschen Kurzfilmpreis ausgezeichnet.Wolff von Amerongen selbst hatte sich zu dieser Zeit schon ganz ausder Öffentlichkeit zurückgezogen.