Industrie Industrie: Lüdersdorf facht Streit um ostdeutsche Oasen an

Lüdersdorf/dpa. - Als ostdeutsche Förderoase hält das Dorf die Arme für Neubürger undInvestoren weit auf, lockte so auch den Großbäcker Kamps an und wurde15 Jahre nach der Wiedervereinigung zum wirtschaftspolitischenZankapfel an der früheren innerdeutschen Grenze.
Seit einem Jahr verbaut Europas größtes Backunternehmen inLüdersdorf über 90 Millionen Euro. Für den Neubau der Kamps AG(Düsseldorf) werden Werke in Hamburg-Vierlande und Meddewade(Schleswig-Holstein) geschlossen. Die Brotfabrik mit Anschluss an dienagelneue A 20 feiert Mitte November Richtfest und will ab 2006 mit250 Beschäftigten 95 000 Tonnen Mehl im Jahr verarbeiten. Dafür wurde«superschnell» eine «passgenaue Infrastruktur» auf unverbauter Flächegeschaffen, erklärt Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister OttoEbnet (SPD). Kamps-Sprecherin Christina Stylianou sagt, die Logistikmüsse klappen, wenn Lüdersdorf täglich 800 Supermärkte beliefernsolle und dazu 40 Lastwagen auf Tour schicke. Kostenfaktor sei dieVerkehrsanbindung, nicht die Fördersumme. Minister Ebnet frohlockt,dass Kamps nun weitere Investoren nach sich ziehen werde.
Unschlagbar günstig bekommen Großunternehmen in ostdeutschenDörfern riesige Flächen nach Wunsch und Maß. Dazu Förderung von 35Prozent für die ersten und 17,5 Prozent für weitere 50 Millionen EuroInvestitionen, während Lübeck etwa maximal 18 Prozent dazuschießendarf. Der Ost-Trend lässt im Westen Panik aufkommen. Lübeck fürchtetum die Auslastung seiner Gewerbeflächen, wenn der Osten weiter mitderartigen Fördermitteln und Grundstücken lockt, wie BürgermeisterBernd Saxe (SPD) erklärt. Habe doch die Hansestadt inzwischen eineebenso hohe Arbeitslosigkeit wie Nordwestmecklenburg - rund 14Prozent.
Bürgermeister Saxe pocht auf einen «Ehrenkodex» für dieGrenzregion, der das Wildern im Nachbarland verbiete. Viele hättendoch schon in die östlichen Gewerbegebiete Selmsdorf und Dassow«rübergemacht», schimpft er. Minister Ebnet kontert: «Wir können unsnicht hässlich machen, wenn wir schön sind!» Der Hauptgeschäftsführerder Industrie- und Handelskammer zu Schwerin, Klaus-Michael Rothe,sieht auch Gründe im Westen: Bei fast allen der 15 Unternehmen, dieseit der Wende von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg wechselten,habe es Probleme am alten Standort gegeben.
Davon kann auch Rolf Heidenberger, Geschäftsführer der FleischwerkEdeka Nord GmbH (Neumünster), ein Lied singen. Die Gruppe investiertüber 42 Millionen Euro, davon 14 Millionen von Bund, Land und EU, inihr «NORDfrische Center» Valluhn im Kreis Ludwigslust. Für das 300-Mann-Werk werden Ende 2006 Pinneberg und Neumünster aufgegeben. «InValluhn bekommen wir eine eigene Autobahnauffahrt und alle Hilfen, inPinneberg haben Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker jahrelangeine Erweiterung des Fleischwerks boykottiert wegen angeblicher Lärm-und Geruchsbelästigung», wettert Heidenberger. «Man wollte unsnicht!» Die Fördermittel werde man den Ostdeutschen zurückgeben - inForm von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, verspricht er.