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Handwerksrekord Handwerksrekord: Die WM unter Halles Dach

Von MICHAEL DEUTSCH 11.06.2010, 17:13

Halle/MZ. - Es ist geschafft. Der Rekord ist gebrochen, die Leistung glasklar nachweisbar. Die hallesche Firma Gipser hat dem für die Fußball-WM neu gebauten "Greenpoint Stadion" in Kapstadt das weltweit größte Glasdach übergestülpt. Sage und schreibe 11 000 Glasplatten mussten dafür aus Deutschland nach Südafrika verschifft und auf 38 000 Quadratmetern Dachfläche montiert werden.

"Das war eine logistische und handwerkliche Herausforderung", sagt Geschäftsführer Michael Gipser. Die Leistung seiner 38-Mann-Firma wiegt schwer: genau gesagt 1 450 Tonnen. Mit soviel Glas haben die Hallenser das "Greenpoint Stadion" eingedeckt, das fürs Weltfest des Fußballs direkt am Fuße des Atlantischen Ozeans errichtet wurde. Langwierige Planungen waren fürs zerbrechliche Vorhaben in 65 Metern Höhe nötig, sagt Gipser, dessen Sohn Christian die Bauleitung führte. Zusammen mit Projektleiter Mathias Klärner und Mitarbeiter Jürgen Nojack bereitete er das komplexe Bauvorhaben zunächst in Halle vor und setzte es später vor Ort um.

Alles begann mit einem Millionen schweren Auftrag, der im Januar 2008 unterzeichnet wurde. Dann ging es Schlag auf Schlag. "Wir machten Probeversuche in unserer Firma", so Christian Gipser. Unter Federführung der international agierenden Firma Pfeifer Seil-, Hebetechnik, dem Architekturbüro gmp sowie dem Stuttgarter Planungsbüro Schleich, Bergemann und Partner musste zunächst die innovative Dachkonstruktion erstellt werden. Neben dem stählernen Ringseiltragewerk für die Arena wurde auch ein neuartiges Verglasungs-System entwickelt, bei dem Gummiprofile zum Einsatz kamen. "Es war notwendig", so der Juniorchef, "das Dachgerüst elastisch zu halten." Am Stadion, das 300 Meter vom Atlantik liegt, wehe ein starkes Lüftchen. Gipser: "Jede der 11 000 Glasscheiben musste flexibel gelagert werden, um dem Sturm zu trotzen."

Nach der Konstruktionslösung ging es an die logistischen Details und die Verpackungs-Technologie. Die Scheiben - alles Unikate - mussten zur Montage reihenfolgerichtig in Südafrika eintreffen, so Gipser, der mit 16 Mitarbeitern im Februar letzten Jahres nach Kapstadt flog, um in neun Monaten das gigantische Projekt zu verwirklichen.

Häppchenweise seien Maschinen, Werkzeuge und das Material aus der Heimat gefolgt. Neben den Glas- und Gummimaterialien gingen zudem 66 000 Glashalter und 153 000 Kleinteile mit auf die Reise. Um den Zeitplan einzuhalten wurden 50 zusätzliche Arbeitskräfte in Kapstadt angeheuert. "Das alles lief perfekt, fast zu perfekt", muss Christian Gipser im Rückblick selbst ein wenig staunen - auch in Bezug auf Pannen. "Nur 28 Scheiben gingen beim Transport zu Bruch". Im Dezember 2009 konnte das gläserne Dach, unter dem in Kürze 70 000 Fußball-Fans Platz finden, der Fifa übergeben werden.

Seniorchef Michael Gipser, ein Macher-Typ im Karohemd, wirkt zufrieden. Eigenlob ist aber nicht sein Ding. Für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement als Landesinnungsmeister der Glaser und Vizepräsident der Handwerkskammer Halle wurde er letztes Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. "Die Auszeichnung hätten auch meine Mitarbeiter verdient, ich bin sehr stolz auf sie", betont der 61-jährige Glasermeister, dessen Firma seit 62 Jahren besteht und in dritter Generation geführt wird.

Gerade in jüngster Zeit hat der Handwerksbetrieb mit Sonderkonstruktionen immer wieder von sich reden gemacht hat. Dazu zählen etwa die Glaskonstruktionen des Berliner Hauptbahnhofs, des Flughafens und des Shopping-Palastes "My Zeil" in Frankfurt (Main) und des halleschen Riebeckplatzes. Und die Gipsers bleiben im Rennen. Derzeit verhelfen sie dem neuen Flughafen Berlin Brandenburg und der U-Bahn in München zu gläserner Architektur.

Und die Fußball-WM? Haben die Gipsers fürs "Greenpoint Stadion" Tickets bekommen? Michael Gipser, der früher aktiv beim Fußballclub SC Chemie gekickt hat, verneint mit Blick auf die Uhr. "Wir haben keine Zeit. Als Firma müssen wir täglich am Ball bleiben."