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Handwerk Handwerk: In Magdeburg spleißt man Seile schon in achter Generation

Von Dieter H. Michel 28.03.2004, 14:48
Der Seilermeister Heinz-Dieter Becker arbeitet in der Seil-Becker GmbH in Magdeburg an einem Schiffstau. (Foto: dpa)
Der Seilermeister Heinz-Dieter Becker arbeitet in der Seil-Becker GmbH in Magdeburg an einem Schiffstau. (Foto: dpa) ZB

Magdeburg/dpa. - Vom dünnen Bindfaden bis zum dicken Schiffstau - bei der Seil-Becker GmbH im Magdeburger Vorort Diesdorf ist das traditionelles Handwerk. Egal, ob ein Kunde das Seil einhundert Meter lang oder kürzer aber mit den Ringösen am Ende des Taus - den so genannten Kauschen - geliefert haben möchte. «In der achten Generation erledigen wir diese Aufträge», sagt Geschäftsführer Heiko Becker.

Seit 1820 existiert das Unternehmen, das anfangs auf den - nomen est omen - Seilerwiesen angesiedelt war und in den Magdeburger Adressbüchern als «Hanf- und Drahtseilerei» firmierte. An der traditionellen Seilerbahn aber stehen die Mitarbeiter heute nur noch selten. «Das meiste ist heute das Konfektionieren», sagt der 38- Jährige, der nach dem Beruf als Elektromonteur auch den des Seilers erlernte, bevor er den Betrieb vom Vater übernahm. Auf Haspeln werden heute die Seile aus Draht, Hanf oder Chemiefaser angeliefert, oft ein bis zwei Kilometer lang. «Wir erfüllen dann die Kundenwünsche. Egal ob Seile für Fahrstühle, Krane oder zum Anhängen von Lasten benötigt werden». Baubetriebe, Handwerker und die Schifffahrt stehen bei Beckers in den Auftragslisten. Aus Rostock, Hamburg, Berlin - sogar aus Frankreich wurden Seile bestellt.

«Der Markt hat sich seit der Wende radikal verändert», sagt der Seniorchef, Heinz-Dieter Becker. Mehr und mehr verschwinde das Naturmaterial wie Sisal und Hanf. «Das Drahtseil und die Kette verdrängen die früher benutzten Materialien immer mehr». Nur gespleißt werde noch immer. Dabei entsteht ein Seil, in dem die Drähte oder Fäden ineinander geflochten werden. Da sei fachliches Können gefragt.

Neun Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun. Im Oktober 1997 hat der letzte Lehrling bei Beckers die Prüfung abgelegt und mit Bestnote bestanden. Seine Prüfungsarbeiten samt Prüfungsplan haben in der Produktionshalle einen Ehrenplatz gefunden, zeigt der 63-jährige Seniorchef nicht ohne Stolz. «Er kam als Matrose zu uns, wollte unbedingt zum Seiler umschulen» Er sei bei der Gesellenprüfung «praktisch unschlagbar» gewesen und heute «einer unserer besten Männer».

Maurerschnüre in diversen Farben, 24fach geflochtene Schnüre, Sicherheitsseile mit farbigem Faden für den Personenschutz - mehrere Flechtmaschinen rattern pausenlos im Werkraum. Eine Maschine Jahrgang 1930 kann noch heute Stricke für die Landwirtschaft fertigen. Die Länge fertiger Seile aber wird auch hier schon mit moderner Elektronik «auf den Millimeter genau» gemessen. In Zeiten der geringeren Konjunktur füllen Aufträge zur Wartung und Reparatur von Ketten und Seilen die Auftragsbücher. «Wir haben zu tun, aber wir waren immer Exoten und werden es wohl bleiben», sagen die Beckers und werden die Tradition eines Berufs hoch halten, der nicht mehr oft anzutreffen ist.