Handwerk Handwerk: Bautzener Orgelbauer Eule setzt auf Qualität

Bautzen/dpa. - Jetzt gibt sie den Stab anihre älteste Enkelin Anne-Christin Eule weiter. Denn Ingeborg Eulehat - auch wenn man das nicht glauben mag - im Januar ihren 80.Geburtstag gefeiert.
Sie übergibt die Hermann Eule Orgelbau GmbH, einen von etwa 200Orgelbaubetrieben in Deutschland, in gutem Zustand, daran lässt siekeinen Zweifel. Zwar müssen auch die Kirchen immer stärker sparen«und das kriegen wir auch zu spüren», sagt sie. «Aber wir haben immernoch 45 Mitarbeiter.» Das sind gerade einmal vier weniger als zurWiedervereinigung. Damit es dem Orgelbau Eule auch in einigenJahrzehnten noch gut geht, sieht Ingeborg Eule allerdings «dieNotwendigkeit, stärker im Ausland Fuß zu fassen.»
Dass sich der traditionsreiche Orgelbau nach der Wende so guthalten würde, war alles andere als sicher. Bereits im Juni 1990 holteIngeborg Eule den Volkseigenen Betrieb wieder in die Hände derGründerfamilie zurück, noch bevor die Treuhand ins Spiel kommenkonnte. «Jetzt springe ich ins kalte Wasser», habe sie sich damalsgedacht. In den Jahren darauf musste sie erst einmal rund vierMillionen Euro in neue Maschinen und andere Ausstattung investierenund sich entsprechend verschulden. Tag und Nacht sei damalsgearbeitet worden. Erst nach vier, fünf Jahren habe sie das Gefühlgehabt: «Jetzt kannst du mal Urlaub machen.»
Zur Zeit wird in den Werkstätten des Betriebs eine Orgel für dieKathedrale Sankt Sebastian in Magdeburg gebaut. Das mehrere Meterhohe Instrument wird in Bautzen zunächst zusammengebaut, dann wiederdemontiert und in seine künftige Heimatkirche transportiert. Bis aufdie Elektronik stellt die Firma Eule alle Teile ihrerMusikinstrumente selbst her, sogar das Metall für die Pfeifen wird imBetrieb gegossen.
Fast 650 Orgeln wurden seit Gründung der Firma gebaut, darunterzuletzt auch eine für die Leipziger Nikolaikirche mit 6800 Pfeifen.Ein ganzes Jahr wurde an dem Instrument gewerkelt. Manchmal seien esein, zwei Orgeln im Jahr, dann wieder sechs, die von Bautzen in dieWelt hinausgeschickt werden. «Im Orgelbau geht es nie kontinuierlichzu», sagt dazu Ingeborg Eule.
Zweieinhalb Jahre dauert etwa der Bau einer Orgel - von derPlanung bis zur Fertigstellung. Eule baut in letzter Zeit vor allemgrößere Orgeln, die dann in der Regel einen sechsstelligen, manchesogar einen siebenstelligen Betrag kosten.
Neue Kunden findet das Unternehmen nicht auf Messen. «Unseregebauten Instrumente müssen für uns werben», erklärt die Senior-Chefin. Die Qualität der Eule-Orgeln sieht sie dann auch alsHaupttrumpf im Wettbewerb mit anderen Firmen. «Manche Gemeindenentscheiden sich für das billigste Angebot. Das kommt dann in derRegel nicht von uns, weil wir auf Qualität setzen.» Zur Zeit sindallein sieben Orgelbaumeister in dem Unternehmen beschäftigt. Nebendem Neubau ist die Restaurierung zum Teil Jahrhunderte alter Orgelndas zweite, sehr wichtige Firmen-Standbein. Aktuell sind in denWerkstätten drei wertvolle historische Instrumente zur Restaurierung.
Für außen Stehende scheint es zunächst rätselhaft, wie der Betriebdie DDR-Zeit überstehen konnte, hatten doch die Kirchen imSozialismus einen schweren Stand und entsprechend wenig Geld. «Auchich habe gedacht, der Betrieb geht ein», erinnert sich Ingeborg Eulean Zeit der Verstaatlichung im Jahr 1972 zurück. Das erwies sich alsIrrtum: «Wir haben noch nie so viel Arbeit gehabt wie damals.» Euledurfte Orgeln in die Bundesrepublik liefern, weil das lukrativeGeschäft harte Devisen ins Land brachte.