Gewerbeansiedlung Gewerbeansiedlung: Deutsche-Bank-Tochter verlegt Firmensitz nach Sössen
Sössen/MZ. - Die wohl erfolgreichste Zeit für Sössen (Landkreis Weißenfels) wird einmal mit dem Namen des Bürgermeisters Dirk Könnecke verbunden sein. Unter ihm ist ein neues Feuerwehrhaus entstanden. Und nun soll die Gemeinde auch von allen Haushaltsproblemen befreit sein. Denn ihr stehen unerwartet hohe Gewerbesteuereinnahmen ins Haus.
Mehr noch scheint der mit etwa 250 Einwohnern kleinsten Gemeinde im Landkreis gesichert: die kommunale Selbstständigkeit. Denn nur weil sie so klein ist und den in Deutschland geringst möglichen Gewerbesteuersatz von 200 Prozent eines vom Finanzamt festgelegten Messbetrages hat, ist das Glück jetzt über sie gekommen: Eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank hat den idealen Standort für sich genau in Sössen gefunden, bestätigte die Pressesprecherin des Frankfurter Mutterunternehmens, Evelyn Koch. Profitieren werden davon auch Land und Landkreis. Sie werden so kaum wagen, die Bedingungen zu verändern, die Sössen mit den Vorteilen für die Gewerbeansiedlung ausstatten.
Einige Tage brauchte Volmar Klug, das Unglauliche zu verstehen. Da kommen am 23. Oktober zwei Herren in feinem "Zwirn" zu ihm als Verwaltungsleiter im Lützener Rathaus und erkundigen sich nach den Möglichkeiten einer Gewerbeansiedlung in Sössen. Nur zwei, drei Büroräume für eine Hand voll Mitarbeiter würden gebraucht. Nachdenkhilfen waren ihm der Wink, dass hohe Gewerbesteuern daran hängen, und die Visitenkarten mit dem Ortsnamen Norderfriedrichskoog.
Landrat Rüdiger Erben (SPD) musste überhaupt nicht erst von der Seriösität des Unternehmens DB Value, einer hundertprozentigen Tochter der Deutschen Bank, überzeugt werden. Ihm war sofort klar, hier hat Sössen und damit der Landkreis einen guten Steuerzahler an der Angel. Denn der bisherige Standort in Schleswig-Holstein ist unattraktiv geworden, seitdem im Frühjahr ein neues Steuergesetz die Steueroase Norderfriedrichskoog (42 Einwohner), wo gar keine Gewerbesteuer erhoben wurde, trockengelegt hat. Ganz unruhig rutscht der Landrat auf seinem Sessel hin und her bei dem Gedanken, es könnte noch manch andere der über 400 Firmen, die sich hinter dem Deich angesiedelt haben, die Vorteile im Landkreis Weißenfels entdecken. Denn weil nun die Mutterfirmen für Töchter, die gar keine oder nur geringfügige Gewerbesteuer zahlen, umso mehr belastet werden, sind die Töchter auf der Suche nach Standorten mit der geringsten - aber nicht geringfügigen - Gewerbesteuer. Das Minimum liegt in Deutschland bei einem Hebesatz von 200. Der deutsche Durchschnitt bei 386.
Vier oder fünf Mitbewerber habe Sössen aus dem Feld geschlagen, weiß der Landrat. Die Nähe des Flughafens, der Autobahn und der Großstadt Leipzig waren Argumente dafür, dass am Montag der Möbellieferant in Sössen einfuhr und nun schon Manager und Büroangestellte in den Räumen arbeiten. Bürgermeister, Gemeinderat und Feuerwehrvertreter wurden nicht nur durch die Zahlenspiele überzeugt, etwas zusammenzurücken, sondern auch von Andreas E. Siewert und Lutz Robra, die mittlerweile in Sössen ihren "Zwirn" abgelegt und sich nicht nur geschäftlich vorgestellt haben. Angesichts dessen, dass die DB Value GmbH Milliarden schwere Aktienpakete verwaltet, sieht nun alles erwartungsvoll den Angaben des Finanzamtes entgegen, auf dessen Grundlage noch 2003 der Gewerbesteuerbescheid herausgehen soll.