Gegen den Strich Gegen den Strich: Der Schauspieler Rolf Becker wird 80

Leipzig - Neulich in Leipzig. Ärzte im grünen Kittel, allesamt Schauspieler. Die Scheinwerfer gehen an, eilig stellen Presseleute die Optik scharf. Ein Fototermin bei Deutschlands erfolgreichster Arztserie „In aller Freundschaft“. Es gibt Blumen für den Darsteller Rolf Becker alias Otto Stein, am heutigen Dienstag feiert er seinen 80. Geburtstag.
Geboren in Leipzig, streifte durch Halle im Kinderwagen: „Halle ist für mich wie ein Gelände, in dem ich Anfänge meines Bewusstseins wiederfinde.“ Den Vater hat er im Zweiten Weltkrieg verloren, im Westen der Wirtschaftswunderjahre wurde er erwachsen. Dort wurde er zum Schauspieler, war auf den großen Bühnen zu Hause und hat in Literaturverfilmungen und Krimis gespielt.
Heute, sagt der fünffache Vater, spüre er im Verhalten der Menschen eine zunehmende Angst. Also werden die Krimis härter, transformieren sich Existenznöte in der Kunst zu apokalyptischen Szenarien. In Beckers Denk- und Wortschatz wohnen die Klassiker, gerne zitiert er Brecht und warnt vor Gefahren für all jene, „die sich nicht kaufen lassen.“ Bis vor Kurzem hat er öffentlich aus dem „Kommunistischen Manifest“ gelesen: „Nirgends ist bis heute das Bürgertum besser dargestellt, selbst als Kapitalist würde ich über diesen Scharfsinn jubeln.“
Das Erstarken rechter und linker Kräfte in Europa komme nicht zufällig zustande, wie Becker sagt: Globalisierung, Terrorismus, Flüchtlinge, Finanzkrisen nennt er als Ursachen. Ja, in Ostdeutschland sei nach der Wende viel versäumt worden. Wer unter Existenzängsten leidet, ist für radikale Positionen anfälliger, wie Becker meint: „Schauen Sie sich NPD-Publikationen an, dort wird mittlerweile ein Mischmasch aus sozialistischen und nationalsozialistischen Gedanken verbreitet.“ Das schienen Linke und SPD bislang kaum erkannt zu haben.
Und was macht die Kunst? „Sie kann zumindest die Probleme abbilden.“ Über sich selbst sagt der Vater von Meret und Ben Becker: „Ich hab nicht die Spontanität meiner Kinder, ich denke eher wie ein Regisseur. Mein Image war früher der Zwielichtige, von dem man nicht wusste, ob er unschuldig oder ein Mörder ist.“
Früher, als die Schauspielerei noch nicht „am Rande der Prostitution“ funktionierte. Früher, als beim Rauswurf „drei andere Theater gewartet haben.“ Verpasste Rollen? Richard den Dritten hätte er gerne gespielt, weil „ich dieses Scheusal als bestgelaunten und Geige spielenden Familienvater gegeben hätte“. Es sei ein Klischee, dass das Böse auch böse aussieht.
Rolf Becker ist ein selbstbewusster Charakter, der gern auch gegen den Strich bürstet. So hat er das Gnadengesuch des ehemaligen RAF-Mitglieds Christian Klar unterstützt. Becker steht zu sich und seinen Entscheidungen. Man wünscht dem agilen Mann noch lange anhaltende Schaffenskraft. (mz)