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Frankreich Frankreich: Lidl und Aldi sahnen im Land der Gourmets ab

Von Hans-Hermann Nikolei 03.08.2005, 06:33
Ein ALDI-Markt in Frankreich (Foto vom 21.05.2004) Erlesene Zutaten, liebevoll zubereitete Menus und unzählige edle Wein- und Käsesorten: Frankreich gilt nicht zu unrecht als das Land der Gourmets. Viele kleine Delikatessenläden bieten täglich frischen Seefisch, aromatische Milchprodukte oder Wachteleier und Wild. (Foto: dpa)
Ein ALDI-Markt in Frankreich (Foto vom 21.05.2004) Erlesene Zutaten, liebevoll zubereitete Menus und unzählige edle Wein- und Käsesorten: Frankreich gilt nicht zu unrecht als das Land der Gourmets. Viele kleine Delikatessenläden bieten täglich frischen Seefisch, aromatische Milchprodukte oder Wachteleier und Wild. (Foto: dpa) SIPA

Paris/dpa. - Und doch gehen immer mehr Franzosen zu Aldi und Lidl.Der Preise wegen - und weil's Zeit spart.

Lidl und Aldi haben beide 1988 den Sprung über den Rhein gewagt.Seitdem mischen die Deutschen den französischen Einzelhandel auf.Heute ist Lidl mit mehr als 1200 Läden in Gallien unbestrittenMarktführer im Lebensmittel-Discount vor Aldi mit mehr als 700 Läden.Die Billigheimer bringen nicht nur traditionelle Schlachter undKäseläden unter Druck, sondern auch die mächtigen weltweit agierendenHandelskonzerne. «Diese Discount-Geschäfte gehen direkt in dieInnenstädte auf Flächen von oft weniger als 300 Quadratmetern»,klagte der Senator Gérard Le Cam. «Sie übersteigern die Konkurrenz.»

Doch die Imperien schlagen zurück. Carrefour, der zweitgrößteEinzelhändler der Welt, fährt in seiner Heimat einen harten Sparkursund baut seine Discount-Kette Ed gegen die Deutschen aus. Im Juniübernahm Carrefour zudem von Rewe die 101 französischen Penny-Märktemit 262 Millionen Euro Umsatz. Der Casino-Konzern zog die BilligketteLeader Price auf und Intermarché kontert mit der Kette netto. Selbstder als Preisbrecher bekannte Supermarktkönig Michel-Edouard Leclerc,der im Hypermarché-Segment 17 Prozent Marktanteil hält, geht jetzt indie Offensive: Er will 1000 Discounter eröffnen und erlaubt allenMarktleitern, zwei Konzepte in ihrem Einzugsgebiet zu testen.

Kräftigen Anschub bekamen die Discounter vom Euro, der auch inFrankreich als «Teuro» empfunden wird: Jetzt schauen die Franzosenviel genauer auf die Preise. Außerdem ist das Leben schnellergeworden. Junge Berufstätige wollen nicht mehr mit stundenlangenDiners «leben wie Gott in Frankreich». Statt jede Frucht beim Händlereinzeln zu betasten und beschnuppern, kaufen sie Tiefgekühltes undeingepackte Ware aus dem Regal. Aldi bietet eine geringeProduktauswahl in jeweils einer Verpackungsgröße. Der Kunde hat damitkeine Qual der Wahl, kein «Einkaufserlebnis», aber er bezahlt wenigerund ist schneller mit dem Einkauf fertig.

Kritik an den deutschen Billigheimers finden vor allem Zuliefererund Gewerkschafter. So verwüsteten französische Gemüsebauern jüngstAuslagen in Lidl-Läden, weil dort statt französischer Produkteausländisches Gemüse angeboten wurde. Ein Edelbäcker klagte: «Bei denen isst man nicht, man ernährt sich.» Für die Gewerkschaften giltAldi als «Vorhof der Hölle»: Keine überregionale Arbeitervertretung,unbezahlte Überstunden und sozialer Druck seien die Regel.

Doch die Kunden denken anders. Seit 2000 gewannen die Discounterdrei Millionen Haushalte hinzu. Zwei von drei Franzosen kaufenzumindest gelegentlich beim Discounter ein. 12,4 Prozent derLebensmittelumsätze im Handel gehen nach einer Marktstudie desInstituts TNS Secodip bereits bei Aldi, Ed und Konsorten über dieKassentheke. In fünf Jahren dürften es 18 bis 20 Prozent sein. Undüber Lidl treten neben Frankfurter Würstchen auch deutscheWeihnachtskalender und Stollen den Siegeszug im Westen an.

Die Discounter seien auf einem dauerhaften Wachstumspfad, weil sievon immer breiteren Bevölkerungskreisen akzeptiert werden, analysiertTNS Secodip. Zudem lockert sich die Markenbindung: Die Franzosenbeginnen zu bezweifeln, dass teure Marken bessere Qualität bedeuten.

Allerdings bremst der Staat im Interesse der kleinen Händler denAusbau der Ketten in den Städten. So wird jetzt die Verkaufsfläche,ab der Lebensmittelgeschäfte besonders genehmigt werden müssen, von1000 auf 300 Quadratmeter gesenkt. Lidl-Läden haben im Schnitt 639Quadratmeter, Aldi-Filialen 591. Solche Geschäfte lassen sich künftignur an den Stadträndern leicht eröffnen - dort, wo die Hypermarchéssind, die leicht auf 10 000 Quadratmeter und mehr kommen. TNS Secodiphält daher ein «deutsches Szenario» mit 35 Prozent Marktanteil derDiscounter für «wenig wahrscheinlich».