Frankreich Frankreich: Aktienhändler betrügt seine Bank um 4,9 Milliarden Euro
Paris/dpa. - Ein namenloser «kleiner Aktienhändler» hat mit betrügerischen Scheingeschäften in Milliardenhöhe die französische Großbank Société Générale (SG) in eine Krise gestürzt. Der Verlustübersteigt mit 4,9 Milliarden Euro den spektakulärsten Fall anBörsenbetrügereien durch den britischen Händler Nick Leeson aus dem Jahre 1995 um das Vierfache. Die Société Générale sah sich gezwungen, ihre Aktionäre um 5,5 Milliarden Euro frisches Kapital zu bitten. «Die Bank bleibt aber in der Gewinnzone und wird eine Dividende ausschütten», sagte Konzernchef Daniel Bouton am Donnerstag in Paris.
Die Milliardenverluste treffen die SG zusätzlich zu einem Schaden von 2,05 Milliarden Euro wegen der Krise auf dem US-Hypothekenmarkt. Unter dem Strich bleibt dennoch ein Gewinn von 600 bis 800 Millionen Euro. 2006 hatte die SG noch 5,22 Milliarden Euro verdient. Bouton wies Spekulationen zurück, die Bank könne jetzt ihre Unabhängigkeit verlieren. Die SG müsse nicht auf einen Scheich als Retter hoffen: «Wir machen eine ganz klassische Kapitalerhöhung, bei der alle Aktionäre ein Zeichnungsrecht haben.» Die Erhöhung wird von JP Morganund Morgan Stanley garantiert.
«Völlig unverständlich» ist Bouton zufolge, was den etwa30jährigen Händler zum Betrug trieb. Der Mann sollte die Risiken von Spekulationsgeschäften auf europäische Aktienindizes wie den DAX mit Termingeschäften abfedern. Allerdings löste er in Verlustphasen 2007 Verträge nicht auf, sondern glich sie mit fiktiven Buchungen aus. «Er löste Risikopositionen mit Scheingeschäften auf. Für die Prüfer sah das vernünftig aus», sagte Bouton. «Wenn er nach den Positionen gefragt wurde, sprach er nur über Zeiträume, in denen er Geld verdienen konnte.» Dadurch schwoll der Bestand von Verträgen mit großen Kursrisiken gewaltig an. Als früherer Kontrolleur konnte der Händler die Kontrollabteilung bis Ende Dezember narren.
Das Ausmaß des Schadens wurde angeblich erst jetzt klar. «Wirhatten null Verdacht vor Freitagabend», versicherte Bouton. AmSamstag trommelte Bouton 50 Manager zum Krisenrat zusammen. AmSonntag beschloss die Bankführung, alle kritischen Verträge sofort zu lösen. «Es war unsere Pflicht, die Risikopositionen so schnell wie möglich glattzustellen», sagte Bouton. «Es war unsere Pflicht, die Bank zu schützen.» Die Verkäufe dauerten drei Tage und gerieten mitten in die Aktienmarktkrise. «Das war Pech», sagte Bouton. Die Milliardenverluste werden noch 2007 verbucht.
Der Täter und «vier oder fünf» Vorgesetzte und Manager wurdenentlassen. Bouton selbst darf bleiben: Der Verwaltungsrat habe sein Rücktrittsangebot abgelehnt. Bouton bezeichnet den Händler alsEinzeltäter. «Wir sind sicher, dass keine anderen betrügerischenPositionen aufgebaut wurden.» Das Problem sei bereinigt. Etwa 100Aktionäre kündigten aber in Paris eine Klage wegen «Betrugs, Untreue,Dokumentenfälschung und Hehlerei» an. Die Pariser Aufsichtsbehördennahmen Ermittlungen auf. Die französische Zentralbank kündigte eineUntersuchung der Vorgänge an. Angesichts der garantiertenKapitalerhöhung sieht die Banque de France aber keinen Grund zurSorge: Die Kapitaldecke der Société Générale bleibe groß genug.
Nach der Ankündigung von Société Générale versuchte derWettbewerber BNP Paribas, den Markt zu beruhigen. Man sehe im eigenenGeschäft keine außerordentlichen Verluste oder Belastungen, die eineWarnung des Marktes rechtfertigten, teilte BNP Paribas mit. Wegen derTurbulenzen will das Institut bereits in der kommenden Wochevorläufige Zahlen bekanntgeben. Die Aktie legte daraufhin am Morgenum rund sechs Prozent zu.