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Fleischerei-Filialist Otto Bauer Fleischerei-Filialist Otto Bauer: Salamitaktik für das Wurst-Imperium

Von Frank Zimnol 16.01.2001, 17:19

Halle/MZ. - Die Verkäuferin des Fleischwaren-FilialistenOtto Bauer will lieber Gehacktes-Brötchenschmieren, als über die Wursttheke hinwegsoziale Befindlichkeiten offen zu legen. Ineiner Situation, in der der Job in Gefahrist, womöglich ins Fettnäpfchen treten? Verständlich,dass sie sich lieber um das Imbissangebotkümmert. Dabei hatte sie nur eine knappe Stundezuvor der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten(NGG) ihr Herz ausgeschüttet.

Und sie war nicht die einzige. In der NGG-VerwaltungsstelleHalle liefen gestern die Telefone heiß. Immerwieder berichteten Mitarbeiter der in Wethau(Burgenlandkreis) ansässigen Fleischerei-Kette,man wolle ihnen "die Wurst vom Brot nehmen".Jörg Most, Chef der NGG Halle, weiß von merkwürdigenVorgängen im Unternehmen zu berichten. FirmengründerOtto Bauer hat sich vom Schlachtfeld einerBranche, in der angesichts fallender Fleischpreiseund BSE-Krise mehr denn je die Messer gewetztwerden, zurück gezogen. Millionenschuldenso wird gemunkelt, sollen den in lukrativeImmobilien verliebten Wurstkönig, der dieneuen Länder mit einem Netz von mehr als 300Verkaufsfilialenüberzogen hat, dazu bewogen haben, das Feldzu räumen. Finanzielle Probleme hatten ihnvor einigen Jahren bereits gezwungen, dasPräsidentenamt beim Fußballverein SachsenLeipzig aufzugeben.

Mit Wirkung vom 4. Dezember, so erfuhren dieverdutzten rund 2000 Bauer-Mitarbeiter perHandzettel, führe eine "Neunzehnte USTV VermögensverwaltungsgesellschaftmbH", deren Anteile ein gewisser Gerhard Thienhält, das Zepter des Unternehmens. Thien,ein Bauer-Spezi aus Bayern, ist im Metiervon Leberkäse und Jägermett durchaus keinunbeschriebenes Blatt. Unter seiner Ägidehatte bereits die Eberswalder FleischwarenGmbH Konkurs anmelden müssen.

Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Eigentümersbestand darin, die Otto Bauer FleischwarenGmbH & Co. KG nach allen Regeln der Kunstzu zerstückeln. Strategie der Salamitaktik:Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten insKröpfchen, so mutmaßt zumindest die Gewerkschaft.So seien die 200 umsatzstärksten Filialenan eine Investorengruppe gefallen, in derder Thien-Vertraute Dieter Struck die Fädenzieht. Weitere 43 wurden dem Mansfelder FilialistenAndreas Kellner zugeschlagen, der sich bereitsdie Pleite gegangene Joko-Gruppe und den WurstwarenherstellerVianda Magdeburg einverleibt hatte. Ein weiteresBauer-Filetstück, das supermoderne Fleischwerkin Wethau, wurde an den Konkurrenten Böklunderverkauft. Auch diverse Immobilien sollen nochrasch zu Geld gemacht worden sein.

Damit hätten die neuen Eigentümer des hochverschuldeten Filialisten "ihre Schäfchenins Trockene gebracht, bevor ein Konkursverwalterseine Hände über die Vermögenswerte breitet",sagte ein Intim-Kenner der Bauer-Gruppe derMZ. Der "billige Rest", also jene rund 60Verkaufsstellen,die in der Umsatz-Rangliste hintenan stehen,firmierten weiterhin unter "Otto Bauer". Mitdiesen Läden in den Konkurs zu gehen, wärefür Thien kein Beinbruch. Für diese Theoriespricht einiges. So bekam die GewerkschaftWind davon, dass jene Verkäuferinnen, diesich in Erziehungsurlaub befinden, von denlukrativen Filialen in die umsatzschwachenversetzt wurden. Überdies verdichteten sichdie Anzeichen, dass die bei Bauer verbliebenen60 Geschäfte "leerversorgt" werden sollen.Wenn Böklunder nicht mehr liefere, weil Bauerzahlungsunfähig ist, dann müssten diese Lädendicht machen, vermutet Most. Weder Bauer-Betriebsratnoch Thien waren gestern erreichbar.