Familie Familie: Windelnde Studenten
Halle (Saale)/MZ. - Karl Friedrich klettert gerne auf die Löwen-Statuen am halleschen Uniplatz. An manchen Tagen kommt der Zweijährige mit seiner Mutter am späten Nachmittag hierher, um seinen Vater nach einer Vorlesung abzuholen. Denn Karl Friedrichs Eltern sind Studenten. Sie gehören zu den sieben Prozent aller Studierender in Deutschland, die Kinder haben. Studium und Kind, geht das? Ja, sagt Karl Friedrichs Mutter Christin Schulze-Gerlach. "Aber man braucht einen Partner, Familie in der Nähe und einen Kita-Platz." Nicht zuletzt sei man vom guten Willen der Dozenten abhängig, sagt Schulze-Gerlach. Sie studiert Slawistik und Theologie auf Magister.
Nach Karl Friedrichs Geburt hat die 27-Jährige zwei Semester lang pausiert. Anschließend sei das Studium schwieriger zu bewältigen gewesen. "Man kann nicht mehr so viel Zeit ins Studium stecken." Zudem gebe es im Hauptstudium viele Veranstaltungen abends, wenn die Kita schon geschlossen ist. "Nicht alle Dozenten haben Verständnis für Studenten mit Kind", sagt Schulze-Gerlach. Trotzdem will sie im Sommersemester ihre Magisterprüfungen schaffen. "Mit Selbstdisziplin geht das. Mit Kind bin ich gezwungen, effektiver zu arbeiten."
Die Hürden, Studium und Kind zu vereinbaren, sollen an der Uni Halle verringert werden. Seit 2009 trägt die Hochschule das Audit "familiengerechte Hochschule" der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Um die Bezeichnung bewerben sich Hochschulen mit Konzepten, die Beruf beziehungsweise Studium und Familie vereinbar machen sollen. Dieses Jahr rief die Uni das Aktionsjahr "we are family" aus. Unter anderem wurden im Sommer und im Herbst Ferienprogramme für Kinder der Mitarbeiter und Studenten angeboten.
Es kann aber noch viel mehr getan werden, findet Stefanie Müller. Die 26-Jährige ist eine derjenigen an der Uni Halle, die die Umsetzung des Audits betreut. Die Bachelorstudiengänge seien häufig zu starr für ein Studium mit Kind organisiert. Nach drei Mal Fehlen sei etwa die Anwesenheitspflicht nicht mehr erfüllt. Das Studienmodul müsse dann wiederholt werden, so Müller. Es sei denn, die Studenten können individuelle Absprachen mit den Dozenten erreichen.
Nun sollen die Prüfungs- und Studienordnungen überarbeitet werden, um verbindliche Regeln für Studenten mit Kind zu finden. In den Naturwissenschaften gebe es zudem Probleme mit den Praktika. Wegen arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen dürfen Schwangere an diesen häufig nicht teilnehmen. "Hier muss es Alternativangebote geben", so Müller. Auch Teilzeitstudiengänge wären Müller zufolge eine große Hilfe.
Die wichtigste Voraussetzung für ein Studium mit Kind ist indes die Betreuung. Das Studentenwerk Halle betreibt eine Kita am Weinbergcampus. Die Plätze reichen aber bei weitem nicht aus. "Gut wäre auch ein stundenweises Babysitterangebot abends und an den Wochenenden", sagt Schulze-Gerlach.
An der Hochschule Merseburg gibt es diesen Service bereits. Studenten können ihren Nachwuchs bei den "Campuskids" anmelden. 15 Kinder sind derzeit stundenweise dort. Ausnahmsweise werden manche auch ganztags betreut. Wie die beiden Kinder von Anka Lottermoser. "Auf dem freien Betreuungsmarkt war nichts zu machen", sagt die 27-Jährige. Eigentlich wollte sie in Halle Psychologie studieren, den Platz hatte sie schon. Nur ihr Kind kam nirgends unter. Bis sie in Merseburg anfragte. "Die Zusage der Campuskids war die Voraussetzung, dass ich studieren kann", so Lottermoser. Ihr Fach ist nun aber ein anderes: Soziale Arbeit, nicht Psychologie.