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Extra Extra: Immer im Blick

18.02.2009, 12:11
Beim Spielen vergessen Kinder schnell, wo sie sind. Da viele Eltern Panik haben, ihr Kind zu verlieren, bieten verschiedene Hersteller Ortungsgeräte an. (FOTO: DPA)
Beim Spielen vergessen Kinder schnell, wo sie sind. Da viele Eltern Panik haben, ihr Kind zu verlieren, bieten verschiedene Hersteller Ortungsgeräte an. (FOTO: DPA) Diagentur

Erfurt/Berlin/dpa. - Kinder sind Entdecker. Erst erforschensie nur die elterliche Wohnung, später Stadtviertel und Wälder.Spätestens dann leben viele Eltern in Sorge: Das Kind könnte sichverlaufen, im Wald an einem einsamen Fleck verletzt werden oder -schlimmstenfalls - in die Hände eines Unbekannten geraten, der Bösesvorhat. Diese Ängste sollen Ortungsgeräte und -dienste nehmen.Entweder wird das Kind mit einem speziellen Gerät ausgestattet oderder Standort des Handys angezeigt. Eltern können dann im Internetsehen, wo sich ihr Nachwuchs aufhält. Sicherheit bieten die Geräteaber nicht, sagen Experten. Der Einsatz sollte gut überlegt sein.

Auf der diesjährigen CeBIT (3. bis 8. März) in Hannover werdenverschiedene Geräte zur Ortung von Kindern zu sehen sein. EinAnbieter ist Protect-Systems aus Bremen. Die Ortung erfolgt über einkleines Gerät, das die Kinder bekommen. Über Assistant GPS (AGPS)lasse sich die Position sowohl draußen als auch in Räumen bestimmen. Das Gerät verfügt außerdem über Knöpfe mit eingespeichertenKurzwahlen und einen SOS-Knopf für einen SMS-Notruf.

Sind Sohn oder Tochter nicht erreichbar, können Eltern eine Nummeranwählen. Bis auf 30 Meter hören sie dann alles, was gesprochen wird,erklärt Wolfgang Lingott, Vorstandsvorsitzender von Protect-Systems.«So sollen gefährliche Situationen erkannt werden.»

Der Personal-Tracker von Datcom aus Schlüchtern verfügt ebenfallsüber Notruftasten und Knöpfe, die mit Telefonnummern belegt werdenkönnen. Dem Anbieter zufolge kann der Standort der Person auf einerKarte oder auf einem Satellitenbild angezeigt werden. Außerdem lassesich eine Zonenüberwachung aktivieren. Beim Überschreiten der Zonewerde eine automatische Benachrichtigung versandt. «Bislang wird derPersonal Tracker vorwiegend von Sicherheitsdiensten genutzt», sagtRalf Hoffmann von Datcom. Es sei aber auch denkbar, dass das Gerät imSchulranzen liegt.

Ein anderes System bietet jackMobile aus Gelsenkirchen an. BeiTrackyourkid wird das Handy geortet, entsprechend ist kein Extrageräterforderlich. Mit einem speziellen Text an den Netzbetreiber werdedie SIM-Karte für die Ortung freigeschaltet, erklärt KundenbetreuerinPeggy Otto. Bei der Anmeldung würden die Handynummern der Elternangegeben, nur sie könnten das Kindergerät orten. Alternativ lassesich der Standpunkt des Kindes im Internet anzeigen. «Die Handyortungfunktioniert überall, wo es Handyempfang gibt», sagt Otto. Bis auf 50Meter könne der Standort bestimmt werden.

Die Nachfrage ist laut Peggy Otto hoch. «Die Grundangst derEltern, dass ihrem Kind etwas passiert, ist verständlich», sagt Prof.Bärbel Kracke, Entwicklungspsychologin an der Universität Erfurt.Ekkehard Mutschler glaubt aber, dass Ortungsgeräte eine trügerischeSicherheit geben. «So ein Gerät kann immer nur ein Hilfsmittel sein»,sagt das Vorstandsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes inBerlin.

Denn ein Gerät könne immer ausfallen. Oder die Kinder lassen esirgendwo liegen. «Eltern können ihre Aufsichtspflicht nicht auf einGerät übertragen», sagt Mutschler. Prof. Kracke glaubt, dass zumBeispiel Sicherheitstrainings, in denen Kinder lernen, in kritischenSituationen laut um Hilfe zu rufen, sinnvoller sind.

Mutschler rät Eltern zu hinterfragen, wovor genau sie Angst haben:Denn so groß wie viele glauben, ist das Risiko, dass ein Kind voneiner fremden Person entführt und misshandelt wird, nicht. Laut derpolizeilichen Kriminalstatistik seien in den vergangenen Jahrenjährlich zwei bis fünf Kinder zwischen 6 und 14 Jahren Opfer vonSexualmorden geworden, sagt Theresia Höynck vom KriminologischenForschungsinstitut Niedersachsen in Hannover. «Die meisten Übergriffepassieren im privaten Umfeld. Und davor schützt auch die Techniknicht», sagt Mutschler.

Kinder im Schulalter müssten selbstständig spielen können. «Fürdie kindliche Entwicklung ist es ganz wichtig, dass KinderGeheimnisse haben», erklärt Mutschler. Dazu gehöre eben auch, dasssie sich gelegentlich an Orten aufhalten, von denen ihre Elternnichts wissen.

Laut jackMobile ist auch das mit trackyourkid möglich. Theoretischkönne das Kind jederzeit selbstständig per SMS den Dienst und dieOrtungsmöglichkeiten ausschalten. Außerdem funktioniere die Ortungnur bei eingeschaltetem Handy. Schließlich lasse sich einstellen,dass das Kind nach jeder Ortung eine SMS bekommt, sagt Otto.

Wollen Eltern ein Ortungsgerät anschaffen, sollten sie das mitihrem Kind besprechen, rät Prof. Kracke. Dazu gehöre auch, darüber zureden, was passiert, wenn das Kind eben einmal nicht zu erreichen istoder einen Fehlalarm gibt. «Das kann Eltern in große Angstversetzen», sagt sie.

Spätestens im Jugendalter mit etwa zwölf Jahren sollten sich dieKinder dann wirklich frei bewegen können. Das bedeute letztendlichauch Freiheit für die Eltern: «Die haben doch auch ein Leben. Ichkann mir nicht vorstellen, dass die Lust haben, permanent den Radiusihrer Kinder zu kontrollieren.»