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EU-Kommission EU-Kommission: Günter Verheugen treibt es nicht vor jede Kamera

15.04.2004, 09:21
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen. (Archivfoto: dpa)
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen. (Archivfoto: dpa) dpa/dpaweb

Brüssel/dpa. - Günter Verheugen zählt nicht zu jenen Politikern, die es aus Eitelkeit vor jede Kamera treibt. Und doch stand er schon häufig im Rampenlicht - so wie jetzt, da er sein vielleicht größtes Werk vollenden kann. Der Sozialdemokrat hat die vom Umfang und Bedeutung her größte EU-Erweiterung organisiert. Zum 1. Mai - kurz nach seinem 60. Geburtstag am 28. April - wird sie vollzogen.

Verheugen wurde 1999 Mitglied der EU-Kommission und ist seitdem für die Erweiterung der Union zuständig. Unter seiner politischen Führung verhandelten Heerscharen von Beamten mit zwölf Ländern über die Aufnahme in die EU. Auf Punkt und Komma mussten diese Staaten ihre Gesetze an das EU-Recht anpassen, nicht nur in der Theorie, sondern vor allem auch in der Praxis. Vom Atomkraftwerk bis zum Putenmastbetrieb - kein Bereich blieb unangetastet.

Im Dezember 2002 wurden die Verhandlungen mit zehn Ländern abgeschlossen, zwei weitere - Bulgarien und Rumänien - benötigen auch auf eigenen Wunsch noch etwas länger. Darüber hinaus kümmert sich der Kommissar um demokratische Fortschritte in der Türkei, dem einzigen Beitrittskandidaten, mit dem noch nicht formell über eine Aufnahme verhandelt wird. Und UN-Generalsekretär Kofi Annan steht mit dem Deutschen in Brüssel in engem Kontakt, weil Verheugen bei der Wiedervereinigung Zyperns helfen soll. Die geteilte Insel wird ebenfalls EU-Mitglied und gehört daher zu Verheugens Landkarte.

Geradlinig und immer der Sache treu hat Verheugen das schwierige Geschäft der EU-Erweiterung vorangetrieben - die Kandidaten ermutigt, manchmal auch mit erhobenem Zeigefinger, und kleinliche Skeptiker auf die historische Notwendigkeit des Erweiterungsprozesses hingewiesen. Auch, dass das alles nicht umsonst zu haben ist, hat der Kommissar nie verschwiegen. Gleichwohl hat Verheugen Verständnis für die Sparwünsche der Bundesregierung, die ihn vor bald fünf Jahren nach Brüssel entsandt hatte.

Verheugen verließ damals einen für ihn unbefriedigenden Posten als Staatsminister im Auswärtigen Amt, Nummer zwei hinter Joschka Fischer. Aus Koalitionsgründen war seinerzeit nicht mehr drin für den SPD-Mann, der durchaus als ministrabel galt und gilt. So taucht auch heute wieder regelmäßig sein Name auf, wenn über neue Gesichter für das Bundeskabinett spekuliert wird. Aber er könnte auch in Brüssel bleiben und, nachdem die Erweiterung komplett ist, in der nächsten Kommission wieder ein einflussreiches Amt übernehmen. Zum Beispiel als Superkommissar mit weit reichenden Befugnissen über die Industriepolitik, wie sich Kanzler Gerhard Schröder das wünscht.

Verheugen lässt sich nicht abstempeln: Er hat einige Beschlüsse der EU-Kommission gegen die Bundesregierung nicht mitgetragen. Gleichwohl hat er sich keineswegs zum Statthalter Berlins in Brüssel gemacht. Er ist vor 22 Jahren aus Überzeugung Sozialdemokrat geworden, doch zuvor war er genau so lange Mitglied der FDP: ein «Sozialliberaler», politisch groß geworden unter seinem Ziehvater Hans-Dietrich Genscher, dem langjährigen FDP-Außenminister. Doch den Wechsel der FDP von der Koalition mit der SPD zum Bündnis mit der CDU/CSU 1982 machte Verheugen mit einigen anderen Linken seiner Partei nicht mit. Die SPD nahm ihn auf, er wurde sogar wie zuvor bei der FDP ihr Generalsekretär. Nur den Stallgeruch, den Traditions- Sozis so gerne riechen, hat er nie angenommen. Seiner Karriere hat das bislang keinen Abbruch getan.