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Energie Energie: Ölvorkommen in Nordsee gehen zur Neige

08.02.2006, 13:15
Arbeiter stehen auf einer Erdgas- und Erdölförderplattform in der Nordsee vor der norwegischen Küste (Foto: dpa)
Arbeiter stehen auf einer Erdgas- und Erdölförderplattform in der Nordsee vor der norwegischen Küste (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Das Öl aus der Nordsee, eine der wichtigstenEnergiequellen Europas, geht zur Neige. Die Förderung erreichte 1999ihren Höhepunkt und geht seitdem zurück. Die Reserven, die noch unterdem Meeresgrund lagern, nehmen Jahr für Jahr ab. «Es war eine großeÜberraschung als wir in der Nordsee Öl fanden, doch 2020 wird nichtsmehr davon übrig sein», sagt der Geologe Colin Campbell. Die Nordseeist ein gutes Beispiel für den Glaubenskrieg ums Öl. Während einigeExperten die erschöpften Lagerstätten als Menetekel für das Ende desÖl-Zeitalters betrachten, sehen andere gerade in der Nordsee einZeichen der Hoffnung: Die Vorräte hätten schließlich doppelt so langegereicht, wie ursprünglich geplant.

Rund ein Drittel des nach Deutschland importierten Rohöls stammtaus der Nordsee. Im vergangenen Jahr reduzierte sich die britischeFörderung um zwölf Prozent auf rund 83 Millionen Tonnen, während dieNorweger rund 136 Millionen Tonnen aus der Nordsee förderten, achtProzent weniger als im Jahr zuvor. Gleichzeitig gingen dienorwegischen Reserven um 8,3 Prozent auf 1,04 Milliarden Tonnen unddie britischen Reserven um 11,8 Prozent auf 538 Millionen Tonnenzurück. Das Ende der Förderung steht noch nicht unmittelbar bevor,aber es gerät in Sichtweite.

Der Mineralölriese BP will ebenso wie andere Unternehmen dennochweiter in die Nordsee-Förderung investieren, auch wenn nun kleinereFelder mit geringerer Ergiebigkeit erschlossen werden müssen. «DieRessourcen, die eine Förderung auf Jahre hinaus noch ermöglichenkönnten, sind ja dort vorhanden», sagte BP-Chef John Browne vorkurzem in der schottischen Ölstadt Aberdeen. Allein im laufenden Jahrseien mehr als zwei Milliarden Euro Investitionen in bestehendeFelder und neue Aktivitäten geplant, auch als Folge der gestiegenenWeltmarktpreise. «Investitionen sind zwar immens wichtig, die Nordseebenötigt jedoch höhere Produktivitäten und nach wie vor ein strengesKostenmanagement.»

Die Nordsee-Reserven wurden in den siebziger Jahren nach denÖlpreiskrisen kommerziell erschlossen. Wegen der hohen Qualität desRohöls setzte es sich auf dem Markt schnell durch und eroberte großeAnteile. Norwegen wurde reich durch das Öl; die britischeVolkswirtschaft entwickelte sich zum Exporteur von Öl und Gas. Damalserwarteten die Experten, bis zum Jahr 2000 Öl aus der Nordsee fördernzu können. «Durch technischen Fortschritt ist es gelungen, diesenZeitraum zu verdoppeln», sagt Karl-Heinz Schult-Bornemann vonExxonMobil. So holen die Förderfirmen nicht mehr nur 35 Prozent desÖls aus den Lagerstätten, sondern 70 Prozent.

Für andere Experten zeigt das Beispiel Nordsee, dass die Zeitenvorbei sind, zu denen leicht zugängliche neue Funde die Versorgungder Welt mit Öl sicherstellen konnten. Vor allem unter Geologen,weniger unter Ökonomen, läuft die Diskussion um die Förderspitze, den«Peak Oil», auf Hochtouren. Zwei Drittel der Rohölreservenkonzentrieren sich auf fünf Länder am Persischen Golf, dazu kommenÖlfelder mit großen Reserven an leicht förderbarem Öl in Russland undWestafrika. Viele andere Öl-Regionen der Welt sind entweder inabsehbarer Zeit erschöpft oder die Förderung wird so teuer, dass sienicht mehr lohnt.

«Wir müssen in den kommenden Jahren mit einem Ölpreis von 200 bis250 Dollar pro Fass rechnen», sagt der Investmentbanker und ÖlexperteMatthew Simmons. Er geht davon aus, dass die saudischen Reserven vielzu hoch angesetzt sind und der Investitionsbedarf wegen der schwererzugänglichen Reserven gigantische Ausmaße erreichen wird. Wenn dieweltweite Förderung erst einmal abnimmt und gleichzeitig dieNachfrage aus China, Indien und Brasilien steigt, tut sich eineenorme Lücke zwischen Angebot und Nachfrage auf, die Jahr für Jahrgrößer wird.

Den Industrienationen dämmert bereits, dass ihre Abhängigkeit vomÖl zu einem immer schwereren Problem wird. «Der Importbedarf derEuropäischen Union hinsichtlich Erdöl und -gas wird sich in dermittel- und langfristigen Perspektive weiter erheblich steigern»,heißt es in einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Jahr 2020werde Europa bis zu 90 Prozent seines Erdöls und 70 Prozent des Gasesimportieren müssen. Und selbst US-Präsident George W. Bush hat seineLandsleute zum sparsamen Umgang mit Energie ermuntert. Tatsächlichaber haben die USA, die ein Viertel allen Öls auf der Weltverbrauchen, ihren Energiekonsum bislang noch in jedem Jahr erhöht.