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Eisenach Eisenach: Vor 20 Jahren lief der letzte Wartburg vom Band

Von Bernd Fischaleck 06.04.2011, 12:48
Der 1966 eingeführte Wartburg 353 folgte in seiner Grundkonzeption (2-Takt-Motor, Frontantrieb, Kastenrahmen) seinem Vorgänger, er hielt aber ein wesentlich modernisiertes Fahrwerk mit 13"-Rädern, Einzelradaufhängung und Schraubenfedern rundum und eine neue, damals durchaus dem internationalen Standard entsprechende Karosserie mit einem Kofferraumvolumen von über 500 Litern.
Der 1966 eingeführte Wartburg 353 folgte in seiner Grundkonzeption (2-Takt-Motor, Frontantrieb, Kastenrahmen) seinem Vorgänger, er hielt aber ein wesentlich modernisiertes Fahrwerk mit 13"-Rädern, Einzelradaufhängung und Schraubenfedern rundum und eine neue, damals durchaus dem internationalen Standard entsprechende Karosserie mit einem Kofferraumvolumen von über 500 Litern. MZ Lizenz

Eisenach/dapd. - Tausende Beschäftigte verloren an diesem Tag ihre Arbeit.

«Viele wussten nicht, wie es weiter gehen sollte», erinnert sichder Ingenieur Michael Stück an die Werksschließung vor 20 Jahren.Der heute 64-Jährige arbeitete mehr als 30 Jahre im AWE, in dem dasin der DDR begehrte Auto hergestellt wurde. Der endgültigeProduktionsstopp bedeutete für ihn das Ende aller Hoffnungen, etwaden Kleintransporter Wartburg Trans zumindest in Kleinserieweiterzubauen.

Als «sehr erschütternd» hat Uwe Bergmann den 10. April 1991 inErinnerung. «Jeder konnte sich ja ausrechnen, dass nicht alle der10.000 Beschäftigten bei Opel unterkommen konnten», sagt derBautischler, der 1978 seine Lehre im AWE begonnen hatte.

Zwtl: Hoffnungslos veraltete Technik

«Es war aber auch jedem klar, dass die Geschäftsgrundlage nachder Wende einfach nicht mehr vorhanden war», sagt Stück, der nochbis 1994 mit einigen wenigen verbliebenen Kollegen im KundendienstGarantiefälle abwickelte. Für die ehemaligen Hauptabnehmer inOsteuropa waren die Fahrzeuge nach Einführung der D-Mark nicht mehrerschwinglich. Zudem waren die Autos technisch veraltet. Das letzteWartburgmodell mit VW-Viertaktmotor sei letztlich «eine Leiche mitGoldzahn» gewesen, sagt Stück.

Plötzlich überschwemmten billige Gebrauchtwagen aus dem Westenden Markt. Oftmals sei aber schnell das böse Erwachen gefolgt, sagtStück. So mancher habe sich anschließend die soliden DDR-Modellezurückgewünscht und im Werk erneut eine Anfrage für einen Wartburggestellt.

Der letzte Wartburg, der gerade einmal neun Kilometer auf demTachometer hat, steht heute als Museumsstück in einer der wenigenerhaltenen Fabrikhallen auf dem ehemaligen AWE-Gelände. Der Leiterder Automobilen Welt Eisenach, Klaus-Dieter Fiesinger, betrachtetdas Ende für den Pkw nüchtern. Der Wartburg habe gegen dieKonkurrenz aus dem Westen einfach keine Chance gehabt.

Fiesinger ärgert sich über «hoffnungslose Träumer», die das Ausder Fahrzeugproduktion im Eisenacher Automobilwerk nicht wahrhabenwollten und noch immer vor allem die Treuhand dafür verantwortlichmachten. Die Fortführung der Produktion am alten Standort sei fernjeglicher Realität gewesen, sagt er. Die Aufteilung in Einzelgebäudehabe eine flüssige Produktion erschwert.

Das Werk hatte zudem keinen eigenen Bahnanschluss, alle Teilemussten vom Bahnhof per Lkw angeliefert werden. Die Fahrgestelle,die seit den 1980ern in Gotha gefertigt wurden, seien «bei Wind undWetter» mit einem Traktoranhänger durch die Stadt Eisenach zum Werktransportiert worden, erzählt Fiesinger. Er selbst habe alsLkw-Fahrer damals aber große Mühe gehabt, seine Ladung zum Zielortzu bugsieren, da es auf dem engen AWE-Gelände für große Lastwagentagsüber kaum Platz zum Rangieren gegeben habe.

Sämtliche Entwicklungsideen der Eisenacher Ingenieure seien zudemvon der politischen Führung abgebügelt worden. So seien etwa diePläne für die Serienfertigung eines eigenen Viertaktmotors in derSchublade verschwunden. Daher musste im Wartburg bis 1988 einZweitakter seinen Dienst tun, der technisch auf einem bereits 1939entwickelten Motor beruhte.

Zwtl: Wartburgfahrerclub organisiert «Heimweh-Treffen»

20 Jahre nach dem Aus für den Pkw steht das traditionelleWartburgtreffen im August ganz im Zeichen der Werksschließung.Organisator ist der Chef des Wartburgfahrerclubs Eisenach, EnricoMartin. Der 31-Jährige kaufte sich 1997 seinen ersten Wartburg.Bereits ein Jahr später trommelte er erstmals Fans der Markezusammen, als er merkte, wie viele Menschen sich noch immer oderaufs Neue mit den Autos made in Eisenach identifizierten.

«In der Geburtsstadt des Wartburg musste es einfach ein Treffengeben», sagt Martin. Immerhin hätten viele Eisenacher ihr halbesLeben in dem Werk verbracht.

Zur diesjährigen Auflage des Treffens vom 5. bis 7. Augustrechnet Martin mit rund 500 Besuchern aus ganz Europa. Höhepunkt istdie Vorführung eines Films, für den er in Eigenregie Archivmaterialund Zeitzeugen-Interviews zusammenschneidet. Auch Michael Stück, derselbst mehrere Sachbücher zum Thema verfasst hat, öffnete dafürseine Privatsammlung.

Der Film soll sowohl den Produktionsalltag als auch dieemotionale Werksschließung dokumentieren. Zudem lädt derClubpräsident wie jedes Jahr ehemalige AWE-Mitarbeiter und Expertenzu Gesprächen und Fachvorträgen ein. Erstmals soll eine Führung überdas Werksgelände angeboten werden. Für Ostalgie hat auch Martintrotz aller Liebe für das Kultauto nichts übrig: Originalzubehör ausder Zeit sei erwünscht, DDR-Fahnen will er bei dem Treffen abernicht sehen.